Starke Statements zwischen zart gesponnenen Fäden

Museum für Druckgrafik zeigt große Ausstellung der Japanerin Chiharu Shiota.
RANKWEIL Zwei Fischerboote, über die sich ein Gespinst von roten Fäden ergießt und den Raum in ein umwerfend sinnliches Rot taucht, im dichten kilometerlangen Fadenwerk eingeflochten 50.000 Schlüssel: Wer die Biennale von Venedig 2015 besucht hat, dem dürfte die Installation „The Key inYour Hand“ von Chiharu Shiota im japanischen Pavillon stark in Erinnerung geblieben sein. Noch vor der Großausstellung und bevor die Künstlerin dadurch ihren endgültigen Durchbruch in der internationalen Szene hatte, ist Markus Gell mit seiner Druckwerkstatt in Rankweil auf Chiharu Shiota aufmerksam geworden. Der Kontakt mit der seit den 1990ern in Berlin lebenden Japanerin, die als zurückhaltend und eher medienscheu gilt, war schnell geknüpft, und so sind in den vergangenen Jahren in intensiver und mittlerweile sehr persönlicher Zusammenarbeit in Rankweil mehr als 30 Grafiken entstanden. Diese Blätter sind nun in einer sensationellen Ausstellung am Ort ihrer Entstehung zu sehen – zusammen mit einer Reihe von eigens dazu angefertigten Originalzeichnungen sowie einer ebenfalls auf den Ort bezogenen Installation mit Fäden, die zum Markenzeichen der Künstlerin geworden sind.
Dazu hat Chiharu Shiota in der Druckwerkstatt eine Original Heidelberg Druckmaschine mit roten Wollfäden wie in einem Kokon verspannt. Unweigerlich fragt man sich, was man selbst gerne so bewahren, schützen oder vor der restlichen Welt hinter diesen Verknüpfungen verschließen möchte. Charakteristisch für die Künstlerin ist die Verwendung der Farbe Rot. Neben Schwarz und Weiß erlangt Rot als Metapher für das Lebenselixier Blut, das in einem Netz von Adern durch den Körper fließt, in ihrem OEuvre schon früh besondere Bedeutung. Chiharu Shiota, die nach ihrem Malereistudium in Deutschland bei Marina Abramovic und Rebecca Horn studiert hat und stark von deren Aktions- und Performancekunst geprägt wurde, bewegt sich künstlerisch zwar nicht in den traditionellen japanischen Kategorien, ihre Herkunft schwingt aber dennoch mit.
Wie eine Nabelschnur
Die großen Themen, an denen sie arbeitet, sind existenzieller Natur: Geburt, Tod, Trauer, Erinnerung, Angst. Seit einer schweren, nun überwundenen Krankheit sei es jetzt jedoch weniger der Tod als vielmehr das Leben, mit dem sie sich beschäftige, hat Shiota in einem Interview geäußert. „Meine Zeichnungen wurden wie mein Tagebuch, und mein tägliches Leben war meine Inspiration.“ Ihre zutiefst persönlichen Betrachtungen, Bilder und Eindrücke, die niemanden kalt lassen, gehen dabei weit über eine private Betroffenheit hinaus. Immer wieder taucht auch der Mensch als Motiv auf, wie eingespannt zwischen Himmel und Erde, zwischen den zarten, gezeichneten Gespinsten und Kringeln und den aufgenähten Fäden, die manchmal fast wie eine Nabelschnur als Verbindung zum Kosmos wirken. Andere, häufige Sujets sind Schlüssel, Schuhe, Betten, Scheren oder das Kleid, das wie eine zweite Haut die Verbindung zur Außenwelt symbolisiert. Über ihre grafische Lieblingstechnik, die Lithografie, sagt Shiota: „Es ist ein besonderer Tanz zwischen dem Wasser, der Tinte und der Luft, der sehr feine Linien erzeugt, die man nur auf den Stein zeichnen kann. (…) Ich arbeite gern mit Druckgrafikern zusammen, (…) es ist eine Beziehung, die ich schätze und die mit jeder neuen Edition stärker wird.“
Die Ausstellung ist im Museum für Druckgrafik, Hartmanngasse 15a, Rankweil, bis 26. September geöffnet, Do und Fr, 18 bis 20 Uhr, Sa, 10 bis 12 Uhr.
