Mehr als ein Schmachtfetzen, aber eben nicht von Puccini oder Verdi

Kultur / 17.09.2020 • 21:00 Uhr
Mehr als ein Schmachtfetzen, aber eben nicht von Puccini oder Verdi
Zazà (Svetlana Aksenova) und Milio (Nikolai Schukoff).  TAW/RITTERSHAUS

Gewinnbringende Wiederentdeckung von Leoncavallos „Zazà“ im Theater an der Wien (und TV).

Wien Endlich wieder Theater und Musiktheater: Nach den Festspielen in Salzburg, Bregenz und Innsbruck gilt das nun für die Bundeshauptstadt. Die Staatsoper und das Theater an der Wien liefern sich dabei interessante Parallelen. Nach der Aufführung der ersten Fassung von Beethovens „Fidelio“ im großen Haus am Ring punktete die kleinere, jedoch geschichtsträchtigere Bühne gegenüber vom Naschmarkt im Frühjahr mit der zweiten Fassung dieser Oper. Der Vorarlberger Manfred Honeck stand am Pult, Schauspieler und Oscar-Preisträger Christoph Waltz hat inszeniert. Die Premiere konnte noch gespielt werden, allerdings ohne Publikum. Das hatte sich bereits an die Ausgangssperren zu halten und saß zu Hause vor den Fernsehern. Sechs Monate danach eröffnen die beiden Häuser wieder mit einer besonderen Programmkonstellation. An der Staatsoper gab es jüngst Puccinis „Madama Butterfly“, im Theater an der Wien beklatschte das Premierenpublikum nun, diszipliniert mit Masken und Abstand, „Zazà“ von Ruggero Leoncavallo. Die Inhalte sind ähnlich, doch Leoncavallo hatte neben Puccini – was sicher auch den Mechanismen des Opernbetriebs um 1900 geschuldet ist – kaum eine Chance. Im Repertoire blieb der mit mehr im Ohr bleibendem Schmachtgesang ausgestattete „Pagliacci“, von der 1900 unter Toscanini uraufgeführten Oper „Zazà“ tauchen zumeist nur einzelne Nummern in Konzerten auf.

Diese Aufmerksamkeit wert

Als Adresse für Wiederentdeckungen hat sich das von Roland Geyer im Verbund mit den Kammerspielen geleitete Theater an der Wien bereits durchaus einen Namen gemacht. „Zazà“ ist die Aufmerksamkeit mit Sicherheit wert. Wer es nicht nach Wien schafft, hat die Möglichkeit, die Übertragung am 8. November in ORF III zu sehen. Mit Christopher Maltman als Cascart (in Vorarlberg als Schubertiade-Künstler zu begegnen) sowie Svetlana Aksenova als Zazà (die beispielsweise an der Zürcher Oper als Cio-Cio-San in „Madama Butterfly“ und in Stuttgart als Tosca überzeugte) sind zwei der Hauptpartien sehr gut besetzt, Nikolai Schukoff (Milio) ist gesangstechnisch absolut da, fällt aber in Sachen Kraft neben der grandiosen Aksenova merklich zurück. Am Pult des Radio-Symphonieorchesters Wien arbeitet Stefan Soltész die Schönheiten der Partitur heraus, die sich wenig reißerisch im Detail entfalten bis hin zu einem „Ave Maria“ eines Kindes am Klavier, über das sich Zazás berührender Gesang legt.

Der Plot ist im Hinterbühnenmilieu verortet, aus dem Ausstatter Raimund Orfeo Voigt gute Ideen ableitet. <span class="copyright">TaW/Rittershaus</span>
Der Plot ist im Hinterbühnenmilieu verortet, aus dem Ausstatter Raimund Orfeo Voigt gute Ideen ableitet. TaW/Rittershaus

Die hohe Gesamtqualität dieser Produktion (bei der der Fokus auf der zweiten Partitur-Fassung liegt) ist darauf zurückzuführen, dass sich Regisseur Christof Loy und Stefan Soltész darin einig waren, absolute Kompaktheit im intensiven Spiel der Liebenden mit der Musik zu erzeugen. Das gelingt und das soll auch so sein, denn die Story selbst ist nicht weit von der grundsätzlichen Banalität eines „Traviata“- und „Butterfly“-Librettos entfernt: Eine Varieté-Künstlerin umgarnt einen Gönner, verliebt sich so richtig, entdeckt, dass der, der ihre Liebe erwidert, verheiratet ist und verlässt ihn. Mit den Nebensträngen und der Vorgeschichte ist der Plot im Hinterbühnenmilieu verortet, aus dem Ausstatter Raimund Orfeo Voigt gute Ideen ableitet, die mit einigen zugespielten Chorpassagen ordentlich Drive entfalten. Es ist schön, diese Oper einmal anzubieten, noch schöner wäre es, Zazà am Ende wieder aufstehen zu sehen und das endlich einmal nicht letale Finale auch ins Bild zu setzen.

Weitere Aufführungen vom 18. bis 27. September im Theater an der Wien. TV-Ausstrahlung am 8. November in ORF III.