Mit Lügen ganz nach oben

Kultur / 15.10.2020 • 19:19 Uhr
Hervorragende Klassikerpflege mit Goethes Epos „Reineke Fuchs“ auf der Bühne. Schauspielhaus/Karelly
Hervorragende Klassikerpflege mit Goethes Epos „Reineke Fuchs“ auf der Bühne. Schauspielhaus/Karelly

Zuerst Goethes „Reineke Fuchs“, dann Köhlmeiers Narren.

Graz, Bregenz Im Programm des Schauspielhauses Graz gibt es seit einigen Jahren schon einen Fixpunkt. Zum Nationalfeiertag tritt Michael Köhlmeier hier auf. Der Vorarlberger Schriftsteller hat heuer am 26. Oktober kein direkt politisches Thema im Programm, er erzählt aus der Welt der Narren von der Antike bis zu Donald Duck. Pardon, politisch wird es somit doch. Das Bregenzer Festspielpublikum hatte jedenfalls nicht nur riesigen Spaß, als er sich für einen Musik-Literatur-Abend eines vergleichbaren Themas angesichts der „Rigoletto“-Premiere annahm, man erhielt auch viel Informationen zum Herr-Narr-Verhältnis. Weniger um diese oft folgenschwere Abhängigkeit als vielmehr um Hierarchien, Egomanen und Strukturen, die Diktatoren einen guten Boden bereiten, geht es nicht nur bei Shakespeare, den Köhlmeier immer wieder gerne erwähnt, sondern auch bei Goethe, dem sich das Schauspielhaus Graz, eine immer wieder mit Preisen bedachte Bundesländerbühne, in der ersten Klassiker-Produktion der neuen Spielzeit widmet. „Reineke Fuchs“, die für das Theater bearbeitete Fabel, erweist sich auch ohne bildliche Anspielung auf den Zustand der Welt als treffsichere Wahl.

Hochaktuell

In Goethes Epos aus dem Tierreich – abgewandelt von einer mittelalterlichen Fabel – schafft es der skrupellose Fuchs, der auch die angeblichen Freunde ins Messer rennen lässt, mit Lug, Trug und Kaltschnäuzigkeit bis hin zur Bestialität ganz nach oben. In knapp zwei Stunden entwickelt Regisseurin Mina Salehpour mit dem Ensemble sowie den Ausstatterinnen Andrea Wagner und Maria Anderski aus dem an sich einfachen Plot ein spannend-intellektuelles Spiel, das optisch nur in Schwarzweiß daherkommt, inhaltlich aber eine Farbigkeit erreicht, die mit vielem konfrontiert, was uns – etwa auch vor einer US-Wahl – gerade beschäftigt. Die schöne Sprachmelodik über dem Soundteppich von Sandro Tajouri und der feine Humor lösten zusätzlichen Jubel aus. VN-cd

Weitere Aufführungen von „Reineke Fuchs“ bis 26. November, Köhlmeier-Abend am 26. Oktober: www.schaupielhaus-graz.at