Zwischen Beziehungsstress und Dystopia

Just like You
Nick Hornby
KiWi, 380 Seiten
Der gemeinsame Nenner zwischen Nick Hornby und Don DeLillo ist die englische Sprache.
Romane Nick Hornby hatte schon mit dem letzten Roman „Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst“ eine „Beziehungskiste“ abgeliefert, in der ein Paar in einer hübschen Midlifecrisis-Situation Auswege oder besser gesagt, neue Wege zueinander sucht. Szenisch aufgebaut, mit relativ vielen Dialogen behaftet, war das noch eher ein Kammerspiel. Mit „Just like You“ startet der Brite wieder voll durch. Lucy, 42 Jahre alt, geschieden, zwei Kinder, Lehrerin, verliebt sich in Joseph, Aushilfsmetzger, Nachwuchs-DJ, Fußballtrainer, Babysitter, Xbox-Fan und schwarz. Die beiden gehen nun eine Beziehung ein und das im Jahre 2016, das Jahr in dem das Brexit-Referendum über die Bühne ging, zu dem auch öfters Stellung bezogen wird. Begleitet wird das alles von Freundschaften und Familien, die diese Beziehung von Haus aus nicht so ganz einfach sehen. Vor allem wegen des Altersunterschieds.
Pub-Dialoge
Die Tonnen an Plot, die der Autor auf den ersten Seiten anhäuft, müssen nun abgetragen werden: Das macht er insofern gescheit, indem er eine Handlung passieren lässt, die von selbst läuft, kluge kleine Fügungen einbaut, ohne die ein Beziehungsroman eben nicht überlebt, dazu als roter Faden der Brexit, mit den Für und Wider-Argumenten, aus englischer Sicht. Zugegeben, für dieses Wissen reichen einige Reportagen aus dem Feuilleton, aber der Autor gibt den Charakteren so auch die nötige Substanz. Fazit: Der Nordlondoner hat sich von seiner Jugend und seinem Arbeiter-Umfeld größtenteils verabschiedet. Bücher wie „About a Boy“ gehören in die Vergangenheit. Seine Gedanken kreisen jetzt eher um guten Wein, gehobene Lokale, Theater und Jazz; das Bürgerliche – wahrscheinlich durch persönliche Lebensumstände genährt – ist sein neues Betätigungsfeld. Warum auch nicht, solange er Ironie versprüht. „Just like You“ ist Hornby-mäßig aufgebaut, als ob er es einem der Kumpel im Pub erzählt. Aber das ist nicht zu unterschätzen, denn so leichtlebig und flockig über schwierige Verhältnisse zu schreiben, muss erst einmal gemacht werden. Was sich die Hornby-Gemeinde vielleicht wünschen würde, wären Momente, in denen er seine Charaktere aus der Rolle kippen lässt, denn der Autor hat ein gutes Gespür für das Auskosten von Peinlichem.
Von England nach Amerika: Einer der eindrucksvollsten Autoren der alten Garde ist Don DeLillo. Mit seinem wuchtigen Roman „Unterwelt“ erzählt er die Geschichte der USA nach dem Zweiten Weltkrieg, wahrscheinlich der wichtigste Roman nach John Dos Passos „Manhattan Transfer“. Ein markanter Teil ist ein Baseball-Endspiel. Im aktuellen Roman „Stille“ greift er fiktiv auf den nächsten „Super Sunday“ vor. Doch dieses Mal bleibt das Bild auf der Mattscheibe schwarz. Nicht nur das: Es fehlt der Strom, kein Funk, Flugzeuge stürzen ab. Es schleicht sich eine unheimliche Stille ein. Also kein „Independence Day“, sondern die Katastrophe in knappen Sätzen treffend verpackt. DeLillo schreibt über unsere Welt: „Je fortgeschrittener, desto verletzlicher.“ Auch das ist richtig.

Die Stille
Don DeLillo
KiWi
105 Seiten