Wie Vorarlberger Chöre doch noch hörbar werden

Der Chorverband hat einen Adventkalender initiiert und ist in Sorge wegen der drohenden Ausdünnung der Szene aufgrund des Lockdowns.
Feldkirch, Koblach Kulturelle Aufführungen sind trotz erprobter und funktionierender Präventionskonzepte in Österreich aufgrund der Pandemie weiterhin verboten, für freischaffende Künstler ist das seit Monaten existenzbedrohend bzw. -vernichtend. Ein propagiertes Nichtstun ist für viele Profis allerdings kein gehbarer Weg. Dass sich auch Amateure – selbstverständlich bei Einhaltung aller Kontaktbeschränkungen – engagieren und etwas tun, ist deshalb umso bemerkenswerter. Eine besondere Initiative hat nun der Chorverband Vorarlberg gestartet. „Der Lockdown trifft uns in einer Zeit, in der traditionell viele Konzerte stattfinden. Sie fallen alle aus, das erzeugt ein Vakuum. Mit unserem Adventkalender möchten wir dafür sorgen, dass die Zeit nicht ohne Musik verstreicht“, erklärt Musikpädagoge Oskar Egle, Leiter von mehreren Chören und Vorsitzender des Musikausschusses im Chorverband. Was es zu hören gibt, soll eine echte Überraschung sein, sagt er im Gespräch mit den VN.
Ab 1. Dezember wird auf der Website des Verbandes (chorverbandvlbg.at) jedenfalls jeweils ein Fensterchen aktivierbar sein, hinter dem ein Musikvideo oder eine Konzertaufnahme samt Bilderbox bereitgestellt sind. Die 24 Beiträge wurden von insgesamt 13 Chören erstellt, und zwar von sieben gemischten Chören, einem Frauenchor, vier Männerchören und einem Kinderchor. Vorgegeben war, dass es Advent- und Weihnachtslieder sein müssen. Egle: „Vom Spiritual bis zum Vorarlberger Weihnachtslied mit und ohne Instrumentalbegleitung ist alles dabei, ich freue mich, dass die Produktion in sehr kurzer Zeit geklappt hat.“
Singen stärkt das Immunsystem
Egle zählt zu jenen Pädagogen und Chorleitern, die mit Nachdruck den hohen Wert des Singens für die Menschen und vor allem für die Entwicklungen von Jugendlichen betonen. Vor wenigen Tagen hat der Chorverband an Manifest mit dem Aufruf, sich das Singen nicht verbieten zu lassen, veröffentlicht. Es fiel auf viel positive Resonanz, negative Bemerkungen gab es, wie Egle bemerkt, von jenen, die meinten, dass man sich damit gegen die Veranstaltungsverbote hinwegsetzen wolle. Wer den Text bis zum Ende gelesen hat, weiß allerdings, dass zum täglichen Singen im Alleingang oder nur im kleinen Familienkreis zu Hause aufgerufen wird. Singen stärke auch das Immunsystem heißt es da. Egle hofft, dass in der Advent- und Weihnachtszeit die Musik zumindest auf diese Art hörbar wird, nämlich in den Familien. „Wenn es mehr und mehr auf Weihnachten zugeht, wird es, so glaube ich, auch aus einer Sehnsucht heraus gemacht.“
Was seine Funktion als Gründer und Leiter des Landesjugendchores Voices betrifft, so kann er zurzeit ebenfalls nur hoffen. Zwischen Weihnachten und Neujahr sind Konzerte mit dem Chor angesetzt, dessen Leitung er bald an Paul Burtscher übergeben will. „Wenn sich die Übergabe nun nicht stattfinden darf, werden wir sie nachholen. Es ist mühsam bei allen Planungen mehrgleisig zu fahren, ich warte nun, bis wir Klarheit haben.“ Wichtig ist es ihm, den Chor dann zu übergeben, wenn er in guter Verfassung ist, was nun der Fall ist. Arg betroffen hat die Pandemie die jungen Sängerinnen und Sänger, die bereits mit mehreren internationalen Preisen ausgezeichnet wurden, sowieso. Der für April angesetzte Wettbewerb in Riva del Garda wurde in den Herbst verschoben und dann abgesagt. Im Oktober hatte man etwas Glück, konnte das kurze Zeitfenster ohne Auftrittsverbote nutzen und im Rahmen der Chor- und Orgeltage in Hohenems singen. Die Leitung verschiedener Chöre nennt Oskar Egle seine Lebensprojekte. „Diese Arbeit hat mich ein Leben lang begleitet, emotional haltet man den Abschied nur aus, wenn man ein Projekt nach dem anderen beendet.“ Denn Männerchor Götzis und die Vocale Neuburg wird Oskar Egle noch weiterhin leiten.
Schwerpunktschulen wurden vergessen
Sorgen bereitet ihm zum einen, dass es für die Chöre noch überhaupt keine Perspektiven gibt und zum anderen, dass die Verbote derart demotivierend wirken, dass eine Ausdünnung der Chorszene zu befürchten ist. „Wir können an sich nur hoffen, dass sie nicht zu extrem ausfällt.“ Auch als Musikpädagoge sieht er im Moment leider keine Perspektiven und das liege, so Egle, auch an einer Politik, die Schwerpunktschulen wie Musikmittelschulen einfach vergessen habe obwohl es etwa hundert solcher Schulen in Österreich gibt. Im Rahmen von E-Learning-Konzepten hält er seine Schüler der Musikmittelschule Dornbirn zum Üben an, wann wieder ein Unterricht stattfinden kann, dazu gibt es leider keine Angaben.