Mit der Sprache coole Sachen machen

Der Literat Muhammet Ali Baş setzt das geschriebene Wort in Szene.
Dornbirn, Wien Mit seinen Geschichten führt Muhammet Ali Baş (30) vor, was mit Sprache alles möglich ist. Seine Volkschullehrerin hat ihn trotz guter Leistungen in Deutsch mit einem Befriedigend abgespeist. Kein Grund zum Aufgeben, dachte sich Baş und stellte sich der Aufnahmeprüfung am Bundesrealgymnasium Schoren, welche er bestand. „Die Intelligenz und das Potenzial von Kindern sollten nicht an deren Deutschkenntnissen gemessen werden, da dies ein Hindernis in deren Bildungsweg darstellen kann. Meine Erstsprache ist Türkisch und ich hatte einen großen Ansporn, meine Deutschnoten zu verbessern“, erklärt der Literat. Im Alter von 12 Jahren schrieb er erste Kurzgeschichten und Gedichte. In seinen Text- und Objektbeiträgen greift er vielfältige Themen wie Migration, Religion und Integration auf, wobei sich der Literaturschaffende nicht auf diese Bereiche beschränken möchte. Als Künstler mit Migrationshintergrund bietet er einen Zugang, der nicht auf seine eigenen Wurzeln begrenzt ist. „Ich setze mich mit Österreich auseinander, weil meine Realität eine österreichische ist. Die Geschichten gehen nicht nur mich etwas an, sondern das ganze Land.“
Leckere Literatursnacks
Als Kulturvermittler im Weltmuseum Wien bricht er komplexe Themen auf die Quintessenz herunter und gibt Wissen in geeigneter Form weiter. „Es geht auch immer darum zu überlegen, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Es wird auch die Frage aufgeworfen, inwiefern unsere Gegenwart mit den Dingen zu tun hat, die wir gerade im Museum sehen. Es handelt sich um ein Archiv und Speicher.“ Seit letztem Jahr engagiert sich sich Baş als Literaturvermittler. In Zusammenarbeit mit dem Verein W*ORT Lustenau und dem Netzwerk literatur:vorarlberg führt er lehrreiche Projekte an Schulen durch. Der Kulturschaffende erarbeitete mit Schülern der Mittelschule Rheindorf und der HAK HAS Feldkirch jeweils einen Schulhausroman, der im Anschluss in Buchform erschien. „Die Tätigkeit ist sinnstiftend und liegt mir sehr am Herzen. Ich hatte in diesem Alter niemanden, der mir gezeigt hat, was man mit Sprache für coole Sachen machen kann.“ Durch die Projekte möchte er die Kinder motivieren und Ausdrucksmöglichkeiten vermitteln. „Sie sehen, was alles möglich ist, wenn man daran arbeitet.“ Aktuell begleitet er eine erste Klasse der Mittelschule Hasenfeld im Rahmen der „writers:class“. Einmal im Monat füllt er eine Doppelstunde mit kreativen Schreibarbeiten und leckeren Literatursnacks.
In der Vergangenheit schrieb der Dornbirner das Theaterstück „NARration“, mit dem er den Umgang mit dem Migrationsthema aus Autorensicht aufgriff. Es folgte die Komödie „Der Kalif wird uns die Stirne küssen“. Die Reaktionen auf das Stück waren sehr unterschiedlich, die einen haben herzhaft gelacht, und die anderen waren sich nicht sicher, ob sie lachen dürfen. „Es hat mir die Augen geöffnet, wie wenig ich als Autor Einfluss darauf habe, wie meine Texte aufgefasst werden. Im Theater sollen die Figuren aus verschiedenen Perspektiven sprechen dürfen.“ Als Dramatiker stellt er sich die Frage, wen der Text anspricht, wer die Schauspielerrollen übernimmt und in welcher Form die Sprache an das Publikum weitergegeben werden soll. In den Schubladen des Literaten stapeln sich bereits die nächsten Werke, momentan schreibt er an einer Tragikomödie für den interkulturellen Verein „Motif“ in Bregenz. Das neue Theaterstück wird heuer mit dem erfahrenen Regisseur Stephan Kasimir umgesetzt. An der Universität für Angewandte Kunst in Wien absolvierte er den Bachelorstudiengang Sprachkunst und startete im Herbst mit dem Masterstudium, das heuer erstmalig angeboten wird. In Kooperation mit der Universität und dem Ö1 Kunstradio veröffentlichte er zwei Hörspiele und arbeitet bereits an den nächsten für den Radiosender Deutschlandfunk Kultur.
Qualität heben
In seiner Auseinandersetzung mit multimedialen Formen, setzt er das geschriebene Wort in Bezug zum Medium Film. Während des ersten Lockdowns hielten viele Kulturschaffende Onlinelesungen ab, die bei der technischen Umsetzung Mängel aufwiesen. Um die Qualität auf das nächste Level zu heben, arbeitete Muhammet Ali Baş an einem neuen Format. Ergebnis ist ein knackiger Kurzfilm mit dem Titel „Limon“, in dem der Autor seinen Text höchstpersönlich performt und dem Zuseher auf unterhaltsame Art verschiedene Perspektiven zu den Themen Heimat und Herkunft eröffnet. In acht Minuten gelingt es dem wortgewandten Vorarlberger durch seine präzise sprachliche Ausdrucksfähigkeit und Originalität tiefgreifende Botschaften zu transportieren. „Es ist keine normale Lesung, sondern der Text wird in Szene gesetzt. Es soll eine Atmosphäre geschaffen werden.“ Mit dem Tiroler Filmemacher Umut Güngördü entstanden bereits weitere Streifen mit Autoren aus Deutschland, der Schweiz und Wien. MIR
Zur Person
Muhammet Ali Baş
Geboren 6. August 1990
Ausbildung Universität für angewandte Kunst Wien
Tätigkeit Kunst- und Literaturvermittler, Literat
Hobbys Wasserpfeife, Museumsbesuche, Schuhe sammeln
Wohnort Wien/Dornbirn