Ein Blick hinter die Wohnungstüren

Großstädter und deren Fassaden hat sich Romina Pleschko in „Ameisenmonarchie“ vorgeknöpft.
Roman Die episodenhaften Charakterskizzen der oberösterreichischen Autorin sind voller makabrem Humor und heimlicher Abgründe. Die Autorin bedient geschickt den Voyeurismus ihrer Leser. Was wäre, wenn man hinter die Wohnungstüren schauen könnte? Gemeinsam ist den Protagonisten, dass sie alle in einem Wohnhaus in Wien leben. Da ist zum einen der wichtigtuerische Gynäkologe Herb Mazur sen., der sich auf die Übergabe der Praxis an seinen Sohn Herb jun. vorbereitet. Er stellt seine Frau Magdalena, deren zunehmende Wortkargheit ihrer Umgebung kaum auffällt, mit Medikamenten ruhig. Er ahnt nicht, dass diese die Beruhigungsmittel im Grunde gern nimmt, um ihren monologisierenden Ehemann zu ertragen. Der Sohn beginnt eine wohl nicht nur kulinarische Beziehung mit einem Nachbarn, einem Nationalratsabgeordneten, der ihn weidlich ausnützt.
Wesenszüge und Eigenarten
Und dann ist da noch der Mann namens Klaus, der seiner Nachbarin nachstellt. Karin findet Zuflucht in den sozialen Medien, fürchtet sich vor dem Alter und davor, keinen Partner mehr zu finden. Das sorgsam unter dem Deckel gehaltene Gefühlsleben der skurrilen Figuren entlädt sich auf unterschiedlichste Weise. Wie bei den staatenbildenden Insekten spielen Düfte als Kommunikationsmittel in Pleschkos Geschichte eine große Rolle. Der Autorin gelingen treffende Beschreibungen von Wesenszügen und Eigenarten. Die Figuren sind emotional kühle Wesen, die soziale Beziehungen allein darum unterhalten, weil diese zu ihrem Vorteil sind. Als Leser bleibt man mit der Frage zurück, wie viel Ameise wohl in einem selber stecken mag.
„Ameisenmonarchie“, Romina Pleschko, Kremayr & Scheriau, 208 Seiten.