„Wäre ich doch lieber Skifahrer geworden!“

Kultur / 19.02.2021 • 17:50 Uhr
Das neue Album der George Nussbaumer Band unter dem Titel „Did anybody say it would be easy“ besteht aus lauter Eigenkompositionen. Nicole Finke
Das neue Album der George Nussbaumer Band unter dem Titel „Did anybody say it would be easy“ besteht aus lauter Eigenkompositionen. Nicole Finke

In Coronazeiten bangt der Musiker angesichts der Auflagen um den Verkauf seiner neuen CD.

ALBERSCHWENDE In der Showszene ist er eine große Nummer im Land, dieser George Nussbaumer (57), immer gut drauf, mit einer Portion Humor und voller Lebenfreude, mit der er seine Behinderung vergessen macht. Als „schwärzeste Stimme Österreichs“ werkt der von Geburt an blinde Komponist, Sänger und Entertainer aus Alberschwende bis heute unverdrossen an seiner Karriere.

 

Was gibt Ihnen die Kraft, im täglichen Leben Ihre Behinderung einfach auszublenden?

NUSSBAUMER Ich blende sie nicht aus, ganz im Gegenteil, sie gehört zu meinem Leben. Es ist meine Lebensform. Ich habe meine Behinderung nicht akzeptiert, sondern angenommen.

 

Man hat den Eindruck, dieses Blindsein ist so sehr Teil Ihrer selbst geworden, dass sich wohl niemand mehr den George als Sehenden vorstellen könnte?

NUSSBAUMER Ja, damit tue ich mir selbst auch schwer. Obwohl – einen Führerschein hätte ich schon gerne.

 

Und Sie wollen auch kein Mitleid von Ihrer Umwelt?

NUSSBAUMER Ich gab mir als Jugendlicher oft eine ordentliche Dosis Selbstmitleid. Da brauchte ich nicht noch das Mitleid von anderen. Verständnis ist tausendmal wertvoller. Ich hatte das große Glück, immer wieder Menschen zu begegnen, die ehrlich zu mir waren und mir die Meinung gesagt haben, oft auch mit einem Tritt in den Hintern.

War Ihre künstlerisch-musikalische Betätigung, zu der Blinde ja oft ein Naheverhältnis haben, auch ein wesentlicher Teil Ihrer Lebensbewältigung?

NUSSBAUMER Nein. Ich bin glücklich, dass sich fast alle Wunschträume, die ich als Kind hatte, im Erwachsenenleben erfüllt haben. Leider war damit sehr viel Arbeit verbunden, das hätte ich gern anders gehabt. Und den Beruf als Pilot hab‘ ich auch nicht hingekriegt.

 

Haben Sie versucht, mit Ihrem Band- und CD-Projekt der Corona-Krise beizukommen?

NUSSBAUMER Nein, denn diese Band gibt es schon seit 2014, und auch unsere neue CD ist nicht trotz oder wegen Corona entstanden. Nach einem Bandtreffen Anfang 2017, kurz nach meinem Herzinfarkt, haben wir gemeinsam den Beschluss gefasst: „Oane macha ma no“. Und zwar dieses Mal mit lauter Eigenkompositionen. Dank Walter Schuler, Gitarrist und Produzent des Albums, ist uns das auch gelungen. Er hat bei jedem der zwölf Songs mitgeschrieben, die Texte dazu stammen von Ina Wolf, die auch einen Teil der Vocals übernommen hat. Wir haben hier gemeinsam etwas vollendet, mit dem ich rundum zufrieden bin und mit dem wir alle richtig große Freude haben. Corona hat uns eher Zeit verschafft, um noch intensiver an dem neuen Album arbeiten zu können.

 

Aber Sie haben damit Corona auch gewissermaßen ein Bein gestellt?

NUSSBAUMER Leider hat Corona eher uns ein Bein gestellt. Denn um diese CD zu verkaufen, müssten wir jetzt Konzerte spielen, und genau das geht jetzt nicht. Ich hätte halt doch lieber Skifahrer werden sollen.

 

Hat Corona bei Ihnen auch zu einer Rückbesinnung auf die wahren Werte im Leben geführt?

NUSSBAUMER Ach, die so oft heraufbeschworenen wahren Werte … Mir hat Corona gezeigt, was für viele Leute die wirklich wahren Werte sind. Dazu gehören Kultur und Kleinkunst offensichtlich nicht. Aber jetzt mal ganz im Ernst: Ich glaube nicht, dass Corona plötzlich bessere Menschen hervorzaubert. Ich glaube eher, dass Corona die Einstellungen, die vorher schon da waren, verstärkt. Neid und Missgunst sind durch Corona sicher nicht kleiner geworden.

Wie finden Sie den Umgang der Regierung generell mit der Kultur im Land?

NUSSBAUMER Muss ich? Katastrophal und bezeichnend dafür, wie es vorher schon um die Kultur bestellt war. Aber ich versteh´s. Lieder kann jeder selber singen, aber die XXX-Möbel kann man nicht selber bauen. Aber Vorsicht: leise singen!

 

Die Kleinkunst, zu der Sie sich bekennen, war ja schon früher stets ein Stiefkind, wenn es um Subventionen durch die öffentliche Hand ging?

NUSSBAUMER Ja, aber auch ein Stiefkind könnte adoptiert werden. So brav wie wir Kleinkünstler sind, würden wir den Eltern sicher keine Scherereien machen.

 

Es gab unglaubliche Highlights in Ihrer Karriere – die Teilnahme für Österreich am Song Contest, Ihre legendären Kabarett-Auftritte als „Mr. Bofrost“ mit Stefan Vögel, der Toni-Russ-Preis – was davon möchten Sie nicht mehr missen?

NUSSBAUMER Die Geburt meiner Tochter. Ich hatte das große Glück, dass all diese Dinge zu einem Zeitpunkt auf mich zukamen, wo ich reif genug dafür war.

 

Gibt es so etwas wie eine Lebensphilosophie für den George Nussbaumer?

NUSSBAUMER Behandle andere so, wie du selber behandelt werden möchtest. Und ich möchte verdammt gut behandelt werden (lacht). Und im Jetzt leben, die Zukunft kommt früh genug!

Zur Person

GEORGE NUSSBAUMER

GEBOREN 23. Mai 1963 in Dornbirn, lebt in Alberschwende

AUSBILDUNG Musikalischer Autodidakt, 1981 zum Heilmasseur in Wien

TÄTIGKEIT Zahlreiche eigene Kompositionen, 5 CDs zwischen 1992 und 1999, Auftritte mit diversen Bands, auch als Vorgruppe von Rockgrößen wie Joe Cocker oder B. B. King, Gast im Kabarett von Stefan Vögel, 1996 Teilnahme für Österreich am Song Contest mit „Weil’s dr guat got“ (10. Platz), Station Voice bei „Antenne Vorarlberg“

AUSZEICHNUNG 2018 Toni-Russ-Preis der Vorarlberger Nachrichten

FAMILIE Tochter Michelle,
in Partnerschaft

Die CD „Did anybody say it would be easy“ der George Nussbaumer Band erscheint am 19. März auf Loebe-Records im Vertrieb bei Hoanzl.