Anselm Hartmann: Morgens um sechs am Klavier

Der vielseitig wissenschaftlich gebildete Musiker Anselm Hartmann wirkt heute vor allem projektorientiert.
RANKWEIL Als Direktor des Landeskonservatoriums hat der gebürtige Aachener seine Spuren in der Musikszene des Landes hinterlassen. Inzwischen waren seine Erfahrungen bei musikalischen Events des Feldkirch Festivals, der Chopin-Gesellschaft, des „Windwerk“-Projektes und des Rotary-Clubs gefragt. Nie vernachlässigt hat Hartmann bei alledem seine Liebe zum Klavier.
Man erzählt sich, zu Ihrer Zeit als Direktor des Konservatoriums hätten Sie jeden Morgen bei Dienstantritt im Büro zunächst Klavier gespielt?
Ja, ich habe den frühen Morgen, oft ab sechs, halb sieben Uhr, zum Üben genutzt, bevor ich mich Leitungsthemen gewidmet habe. Die Studierenden und Kollegen sind mit Klavierklängen empfangen worden.
Heißt das, dass auch bei allen weniger künstlerischen Tätigkeiten, die Sie auch heute noch ausüben, Ihre Neigung zum Klavier unverändert groß ist? Einmal Pianist – immer Pianist?
Das Klavier spielt in meinem Leben eine dauerhafte Rolle. Die CD „Passions“ 2019, gemeinsam mit Martina Gmeinder, und auch die für dieses Jahr noch geplante Solo-CD geben Zeugnis davon. Auch in meine wirtschaftlichen Beratungen fließen kreative Elemente ein.
Sie waren im Auftrag des portugiesischen Bildungsministeriums vier Jahre lang als Konzertpianist in Europa unterwegs.
Das war für mich ein besonders inspirierendes Projekt. In Portugal habe ich gemeinsam mit einem renommierten Pädagogen viel für den Rundfunk aufgenommen.
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre drei Jahre von 2003 bis 2006 am Konservatorium, was konnten Sie damals ausbauen und entwickeln?
Die wichtigste Entwicklung galt sicher der Verhandlung sowie inhaltlichen und rechtlichen Konzeption eines Kooperationsvertrags mit der Musikuniversität Mozarteum Salzburg. Durch diese Kooperation konnte und kann weiterhin den Studierenden ein akademischer Bachelor-Abschluss angeboten werden. Wichtig war auch die Unterzeichnung der Erasmus-Charta und der Aufbau eines Netzwerks mit anderen europäischen Institutionen.
Ich kann mich persönlich an Ihren Orgel-Improvisationswettbewerb damals mit internationaler Beteiligung erinnern, das war ziemlich spektakulär.
Wir hatten einige der weltbesten Organisten eingeladen und ihnen erst am Konzertabend die Aufgaben gestellt, z. B. zu Gemälden von Vorarlberger Künstlern zu improvisieren. Die Verblüffung und Begeisterung des Publikums haben sich mir tief eingeprägt.
Im Hauptberuf sind Sie seither Unternehmensberater. Was kann man sich konkret darunter vorstellen, welche Art Firmen beraten Sie auf welche Weise?
Ja, ich bin hauptberuflich selbstständiger, systemischer Unternehmensberater, nach europäischen Normen zertifiziert, mit Firmensitz in Rankweil. Ich berate in einem breiten Spektrum, das von kleinen und mittelständischen Unternehmen über Universitäten, etwa in Akkreditierungsfragen, Kulturunternehmen, öffentliche Hand und Kirche bis zur Beratung von Einzelpersonen in Lebenskrisen reicht. Themen sind dabei z. B. Strategieprozesse, Gründungs- und Turnaround-Beratungen, Konzeptentwicklungen und eben Krisenmoderationen. Ich bin sehr dankbar für diese vielfältige Arbeit, in der ich manches bewegen darf.
Neben dieser Tätigkeit haben Sie Ihre Erfahrung auch bei musikalischen Projekten eingebracht, etwa als Geschäftsführer beim Feldkirchfestival unter Philippe Arlaud.
Die kaufmännische Geschäftsführung, verbunden mit der Funktion als Dramaturg und Musikvermittler, die Pflege der nationalen wie internationalen Kontakte, die Suche nach dem noch „Ungehörten“ und anderes habe ich als sehr spannend erlebt.
Ein weiteres Betätigungsfeld ist die Chopingesellschaft, bei deren Veranstaltungen das Klavier im Vordergrund steht, naheliegend für Sie?
Die Förderung des begabten regionalen Nachwuchses und die Veranstaltung von Konzerten mit arrivierten Künstlern sind mir weiterhin ein Anliegen.
Sie gehören auch dem Rotary-Club an, der zuletzt mit einem hoch dotierten genreübergreifenden Wettbewerb hat aufhorchen lassen.
Die Vorarlberger Rotary Clubs haben im Oktober 2020 einen interdisziplinären Musikpreis ausgesetzt, um professionellen Künstlern in der Pandemie eine interessante Perspektive zu bieten und sie zu unterstützen. Die kreative Resonanz darauf war großartig. Fritz Jurmann
ZUR Peson
ANSELM HARTMANN
GEBOREN 1959 in Aachen, wohnt in Rankweil
AUSBILDUNG Studium Klavier und Violoncello Musikhochschule Köln/Aachen, Studium Musikwissenschaft, Pädagogik, Philosophie, Germanistik, Romanistik Universität Köln, betriebswirtschaftliche Ausbildung in St. Gallen
TÄTIGKEIT Konzertpianist, Lehraufträge an mehreren Universitäten, Akademien und Konservatorien, 1994 – 1999 Direktor der Kirchenmusikschule Aachen, ab 2000 Universitätsprofessor für Klavier und Musikwissenschaften an der Universität Porto, 2003 bis 2006 Direktor des Vorarlberger Landeskonservatoriums, seit 2007 selbstständiger Unternehmensberater
FAMILIE verheiratet, eine Tochter
20. April, 18 Uhr, Pförtnerhaus Feldkirch: Preisträgerkonzert Rotary-Wettbewerb Musik PLUS; 24. April, 18 Uhr, Pförtnerhaus Feldkirch: Klavierabend Chopingesellschaft (Hanna Bachmann)