Endlich öffentlich: „Alle meine Söhne“ von Arthur Miller

Beißende Kritik bei gut mitkalkulierter Patina.
Bregenz Wer Dramen von Arthur Miller (1915-2005) ganz ohne Nostalgie umsetzen will, muss es wohl in etwa so angehen, wie es vor wenigen Monaten (nach dem ersten Corona-Lockdown) im Theater am Kirchplatz in Schaan geschehen ist. Dort hat Regisseur Oliver Vorwerk das Stück „Tod eines Handlungsreisenden“ extrem verdichtet auf jene soziale Eiseskälte zugespitzt, die es im Kern zum Ausdruck bringt. Dass diese – ebenso wie Verdrängungsmechanismen – in unserer Zeit wieder stärker spürbar wird, dürfte auch zur Stückwahl im Vorarlberger Landestheater geführt haben. Die Produktion von „Alle meine Söhne“, ein Werk aus dem Jahr 1947, musste wegen der Pandemie allerdings lange in der Pipeline bleiben.

Luzian Hirzel, Vivienne Causemann und Günter Alt. LT/Köhler
Nur einige Medienvertreter waren bei der Generalprobe während des zweiten Lockdowns zugelassen (die VN berichteten), am Mittwochabend konnten nun zumindest jene hundert Besucher im Bregenzer Kornmarkttheater von den Vorteilen profitieren, die ihnen in der Modellregion Vorarlberg geboten werden. Sie zeigten sich ebenso begeistert wie die damaligen Probenbesucher.

Regisseur und Ausstatter Niklas Ritter hat die Nachkriegsthematik in die Zeit der blutigen Afghanistan-Konflikte verlegt. Für die Bühne reicht ihm der bürgerlich-biedere Mittagstisch, vom Schnürboden regnet es eine Art Produktionsstaub, der nach und nach den gesamten Boden überdeckt, Mutter Kate Keller, die den Tod eines Sohnes nicht wahrhaben will, rettet sich laut Outfit in die Flower-Power-Jahre, Vater Joe, der seine Schuld am Tod zahlreicher Piloten verdrängt, hat sich eine zynische Panzerung zugelegt. Dass er einst die Lieferung von schadhaften Flugzeugteilen nicht stoppte und diesen Fehler mit fatalen Folgen bis zum Schluss nie zugab, hat die Familie zerstört, für die er sorgen wollte.

Die Handlung auf die Frage der Kinder zu konzentrieren, wie sich ihre Eltern denn im Krieg verhalten haben, lässt Ritter nicht zu. Eine gute Entscheidung, zeigt er doch viel mehr das facettenreiche Dilemma an sich. Was vor allem wegen der Spielart von Günter Alt und Katharina Uhland an die kritischen Stücke des Amerikaners Tracy Letts erinnert, ist zwar wiederum eine Art von Patina. Diese einkalkulierend und angesichts der auch musikalischen Präsenz von Vivienne Causemann, Luzian Hirzel und Konstantin Lindhorst aus der jungen Generation, erhält ein sattsam bekanntes Drama Biss.
Weitere Aufführungen von “Alle meine Söhne” am 13. Mai, 18 Uhr und vorerst am 22., 23. und 28. Mai, 19.30 Uhr, Kornmarkttheater Bregenz: landestheater.org
