Stoppt den Markthallenunsinn
Der Wiener Flohmarkt ist auch für viele Vorarlberger auf Wienbesuch ein Pflichttermin. Nun scheinen seine Tage gezählt zu sein. Denn Politiker kommen viel herum. Das gebiert neben guten Ideen leider auch so manche Schnapsidee. Die Rede ist vom Plan der Wiener Stadträtin Sima, das Areal des Wiener Flohmarktes zu überdachen und mit einer modernen Markthalle zu zwangsbeglücken. Als Vorbild soll Londons Borough Markt (Eigenwerbung: Feinschmeckerparadies) dienen. Dabei handelt es sich jedoch um einen organisch seit dem 13. Jahrhundert gewachsenen Markt und nicht um eine von oben verordnete, sterile Totgeburt. Die von ehrgeizigen Stadtplanern zu verantwortenden Projekte wie Les Halles in Paris oder der Covent Garden Market in London sollten als abschreckende Beispiele dienen, sind sie mit ihren Ramschläden und Allerweltswaren längst zu städtischen Fluchtzonen heruntergekommen. Der magistrale Markthallenalptraum Ist nichts als ein weiterer Versuch, den Flohmarkt, dessen anarchisch-freie Natur Bürokraten in ihrer Regulierungswut ein Dorn im Auge ist, zu ruinieren. Denn, oh Schreck, es gibt keine Registrierkassen und Kreditkarten und private, „böse Schwarzhändler“, mischen ihre Waren ohne Genehmigung unter die „Gewerbescheinler“.
Begonnen hat alles mit der politisch dekretierten Zwangssperre um 14 Uhr (undenkbar in Berlin oder NY), mit der man den kleinen Standlern den Garaus macht.
Ist aus dem Naschmarkt, einst ein wunderbarer Lebensmittelmarkt, längst eine Fress- und Konsummeile geworden, an der T-Shirts bis Postkarten verscherbelt werden, setzt die geplante Markthalle den Kommerzialisierungsfeldzug im Areal fort.
Dabei versucht man mit Schmähs wie der Verheißung lokaler Produkte, eines Flohmarkts unter schützendem Dach, der Installation von Hitzeabweisern und einer Pseudobürgerbeteiligung die geplante Zubetonierung des Platzes und die Zerstörung des Stadtbildes (mit den Häusern von Otto Wagner) schön zu reden. Über die Folgen der unsinnigen Investition wird freilich geschwiegen. „Proseccogastronomen“ und „Lifestyletandler“ scharen bereits in den Löchern und garantieren eine „New brave World“ von mehr Gastro und Konsum zwischen gehobenen Antiquitätengeschäften und Feinkostläden mit angeschlossenen Bobo-Lebenswelten.
Als Verkäufer sollen nur mehr lizensierte Antiquitätenhändler zugelassen werden, andere Verkäufer dürften sich ohnedies die Standmieten nicht leisten können. Anstelle von Bäumen und Begrünung sind zudem architektonisch avancierte Hitzeabweiser geplant.
Dabei gäbe es auch gute Konzepte, nämlich den heutigen Parkplatz als Erholungszone zu begrünen und die kommerzielle Nutzung ausschließlich auf den samstäglichen Flohmarkt unter freiem Himmel zu beschränken. Die Stadt braucht grüne Freiräume. Eine sich bildende Bürgerinitiative zeigt wehrhaft auf, dass es Zeit ist, gegen eine Politik zu protestieren, die letzte Reste schräger unangepasster Alltagskulturen ausmerzen möchte.
„Es ist Zeit gegen eine Politik zu protestieren, die letzte Reste schräger unangepasster Alltagskulturen ausmerzen möchte.“
Gerald Matt
gerald.matt@vn.at
Dr. Gerald Matt ist Kulturmanager und unterrichtet an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.