Ein Komponist, der auf der Bühne steht

Als Grenzgänger arbeitet der Feldkircher Wolfram Schurig zudem in verschiedenen musikalischen Welten.
Feldkirch Wieder ein Musiker, der spielend die Jahrhunderte der Musikgeschichte überwindet. Der mit seiner Blockflöte gemeinsam mit Concerto Stella Matutina manchen Schatz der Alten Musik wiederentdeckt und parallel als international renommierter Komponist mit seinen mikrotonal aufregenden Werken die Welt der zeitgenössischen Musik bereichert.
Wann haben Sie erstmals den Drang verspürt, selber zu komponieren?
SCHURIG Das kam bei mir von Anfang an parallel zum Musikmachen: Die Stücke, die ich gespielt habe, wollte ich auch komponieren können. Dieser Verwurzelung in der Musizierpraxis bin ich bis heute treu geblieben.
Wie schwierig war es damals für einen jungen Komponisten, in Vorarlberg und anderswo anerkannt und aufgeführt zu werden?
SCHURIG Darüber habe ich mir eigentlich keine Gedanken gemacht. Wer Neue Musik komponiert, muss darauf gefasst sein, dass man ihm nicht die Tür einrennt, weder hier noch anderswo. Irgendwann fängt man an, Spieler und Veranstalter für seine Musik zu suchen, und die sind halt überwiegend nicht in Vorarlberg. Das Ländle ist aber auch klein und die Möglichkeiten begrenzt, zugegeben: in manchen Bereichen stärker als notwendig. Der Umstand, dass meine Musik oft schwer zu spielen ist, ist sicher auch ein Kriterium.
Wie entstehen Ihre Werke eigentlich – in grafischen Partituren, am PC oder per Hand?
SCHURIG Dem eigentlichen Komponieren der Musik geht normalerweise eine lange konzeptionelle Phase voraus, in der Ideen entwickelt und verworfen werden, Materialien gesichtet und formale Fragen erwogen werden usw. Die grafische Fixierung einer Partitur ist eine ganz andere Frage. Meine Notation ist klassisch mit einigen notwendigen Erweiterungen. Jeder Musiker sollte das lesen können. Der mechanische Vorgang des Schreibens einer Partitur findet schon seit Langem am Computer statt. Es hat einfach einige praktische Vorteile, was das Editieren von Stimmen etc. betrifft, was ich – trotz Verlag – selbst besorge. Ich möchte für meine Fehler selber verantwortlich sein.
Sie waren von 1995 bis 2006 Kurator der bludenzer tage zeitgemäßer Musik, haben dem Festival ein spannendes Profil gegeben. Wie steinig war der Boden damals für die aktuellste Neue Musik?
SCHURIG Solange man sich nicht im Mainstream bewegt, ist der Weg immer steinig, damals wie heute. Ich habe das Gefühl, dass der Geist in den späten Neunzigern ein anderer war. Das Interesse an einer geistigen Auseinandersetzung mit ästhetischen Fragen, auch in einem sozio-kulturellen Kontext, war einfach unvergleichlich größer. Es gab rege Diskussionen zwischen den eingeladenen Komponisten, den Interpreten, aber auch mit den Besuchern, die sich an den Gesprächsveranstaltungen der parallel veranstalteten Symposien rege beteiligt haben. Insgesamt also ein guter Nährboden für das Gelingen eines solchen Projekts.
Gibt es auch so etwas wie Wechselwirkungen zwischen den zwei Seelen in Ihrer Brust?
SCHURIG In meiner Brust ist nur eine Seele, die des Musikers. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie man als Komponist arbeiten könnte, ohne eine Vorstellung davon zu haben, wie es ist, auf der Bühne zu stehen, ein Stück zu erarbeiten, ein Instrument zu erlernen usw. Praktisch alle Komponisten waren auch exzellente Musiker, manche die besten ihrer Zeit.
Die Blockflöte mit ihrer jahrhundertealten Tradition wird von manchen Leuten bis heute als Kinderspielzeug geringgeschätzt.
SCHURIG Mir hat der Klang dieses Instrumentes gefallen, in den ich mich spontan verliebt habe, und natürlich auch die Musik, die darauf gespielt wird. Wahrscheinlich wäre ich heute kein Musiker, wenn mir nicht als Teenager die Blockflötenkonzerte von Vivaldi begegnet wären. Von dort ausgehend haben meine musikalischen Erkundungen dann immer weitere Kreise gezogen.
Welche Stellung haben Sie beim Barockorchester Concerto Stella Matutina? Jetzt leiten Sie das Ensemble.
SCHURIG Dem CSM bin seit jeher freundschaftlich verbunden. Abgesehen davon, dass ich gelegentlich mitspiele, wenn Blockflöten gebraucht werden, entwickeln wir immer wieder gemeinsame Programmkonzepte, die ich dann als „Verursacher“ auch leite, so wie nun „Die vier Tageszeiten“. Das Konzert hat die Form eines Pasticcios. Ausgewählte Arien und Szenen sind so in Vivaldis Instrumentalmusik unterschiedlichster Provenienz eingebettet, dass sich daraus ein großer dramaturgischer Bogen ergibt. Darin kann das Publikum den anstrengenden Tag eines imaginären barocken Opernhelden miterleben.

Zur Person
Wolfram
Schurig
Komponist,
Blockflötist
Geboren 1967
in Bludenz
Ausbildung Blockflötenstudium in Zürich, Kompositionsstudium in Zürich und Stuttgart bei Hans-Ulrich Lehmann und Helmut Lachenmann
Tätigkeit Konzerte, Rundfunk- und CD-Produktionen von Alter Musik und eigenen Werken, Zusammenarbeit mit renommierten Ensembles und Dirigenten; 1995 bis 2006 Leiter der bludenzer tage zeitgemäßer musik, Gastprofessuren in Graz und Leipzig
Aufführungen Salzburger und Bregenzer Festspiele, Donaueschinger Musiktage, Wiener Konzerthaus, Centre Georges Pompidou u. a.
AUSZEICHNUNGEN u. a. Staatsstipendium für Komposition, Förderpreis der Bodenseekonferenz, Kompositionsstipendium des Landes, Förderpreis der Ernst-von-Siemens-Musikstiftung
Familie lebt mit Gattin Judith und zwei Kindern in Feldkirch
18. Juni, 20 Uhr, Götzis, Ambach: 3. CSM-Abokonzert (Ida Aldrian, Alt, Wolfram Schurig, Blockflöte und Leitung) 20. Juni, 18 Uhr, (ebenfalls Ambach Götzis)