Grandioser Abend mit Habjan und Franui: Weil es draußen wenig zum Lachen gibt

Drinnen, im Festspielhaus, begeisterten dafür Nikolaus Habjan und die Musicbanda Franui.
Bregenz „Wenn man sich die Welt anschaut, gibt‘s wenig zum Lachen“, sagte Georg Kreisler (1922-2011), der Komponist und Dichter, einmal. Seine bissige Weltbetrachtung zählt mittlerweile nicht nur zum Literaturkanon, die Lieder und Texte des aus Wien stammenden US-Amerikaners, den die Österreicher ins Exil trieben, haben sich in den Köpfen festgesetzt. Die Menschen wollen sie hören, wohl nicht nur aus Lust am Düsteren, die Kreisler nicht fern ist, sondern weil so viel Wahres in ihnen steckt, wenn er etwa auf Opportunismus, Selbstgenügsamkeit und das Abgründige zielt.

Dass sich der österreichische Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan nach der Auseinandersetzung mit Robert Walser, mit Schubert-Liedern oder dem Dirigenten Karl Böhm und seinem Mitläufertum in der Nazizeit, auch Kreisler widmet, war nur eine Frage der Zeit. Die Produktion „Alles nicht wahr“ nach dem gleichnamigen Kreisler-Lied konnte bislang aufgrund der Veranstaltungsverbote in der Pandemie kaum wahrgenommen werden. Die Aufführung am Mittwochabend bei den Bregenzer Festspielen ist quasi der Anstoß zu einer Tournee mit Stationen in Wien und deutschen Städten. Habjan, der Opern wie „Oberon“ (in München) oder „Salome“ (in Wien) inszenierte und bei den Bayreuther Festspielen gerade den Park mit Szenen aus Wagners „Ring“ bespielt, braucht mittlerweile große Säle. Vor wenigen Jahren erlebte man ihn noch mit Schubert, Schumann und Walser im Freudenhaus-Zelt in Lustenau, jetzt füllen er und die Musicbanda Franui das große Festspielhaus, in dem der Auftritt mit stehenden Ovationen endete.

Der Schwere des Inhalts eine Leichtigkeit zu geben, die nichts verfälscht oder gar banalisiert, zählt ebenso zum Faszinierenden der Produktion wie die Tatsache, dass es gelingt, dass das große Auditorium Habjan mit seiner Klappmaulpuppe fokussiert. Dieses Mal ist es Lady Bug, eine ältere Chansonnière, die es gewohnt ist, den Takt vorzugeben, diese Position aber auch aufgrund ihres Könnens in Anspruch nehmen kann. Habjan, der seit Jahren auch als Kunstpfeifer brilliert, hat eine geschmeidige Singstimme, die sich neben den zehn Ensemblemitgliedern von Franui gut behaupten kann. Die Wahl der Werke entspricht einem dunklen Gesamtkolorit. Man spitzt die Ohren ob der Tschaikowsky- und Mahler-Bearbeitung („Kinderalbum“, „Lied von der Erde“) mit gewohnt folkloristischem Instrumentarium, nickt ob der Aktualität in Kreislers Überheblichkeitscharakterisierungen bei Beamtentum und politischem Personal und spürt den feinen Humor, der falsche Sentimentalität vertreibt, wenn es um das Existenzielle geht. Wie heißt es bei Kreisler: „Die Vögel zwitschern in den Zweigen. Die Fische trösten sich durch Schweigen. Nur der Mensch, der stört.“
“Alles nicht wahr” wird ab Herbst in Wien aufgeführt und geht auf Tournee. Die Bregenzer Festspiele dauern noch bis 22. August.


