Wenn Zuschauer zum Verhandlungspartner werden

Kultur / 14.08.2021 • 15:00 Uhr
Wenn Zuschauer zum Verhandlungspartner werden
Szene aus dem Theaterspaziergang  “Graf und Volk”. fehle

Auf gräflichen Spuren ging es mit dem Walktanztheater zurück in die Geschichte von Hohenems.

Hohenems  Keine Angst, Rüstung braucht man keine, auch wenn es beim zweiten Theaterspaziergang der Marke Walk in Hohenems ritterlich-gräflich zuging. Flaches Schuhwerk, Theaterlust und Geschichtsinteresse, das reichte völlig aus für den Zeitraffer-Spaziergang durch die Geschichte des Hauses von Ems.

„Von Graf und Volk“ ist nach „Die Sehnsucht der Franziska Rosenthal“ der zweite Hohenemser Theaterspaziergang dieser Art, den Brigitte Walk realisiert. Mit Franziska Rosenthal flanierte man vor gut einem Jahr durch das jüdische Viertel der Stadt. Das hatte Flair. Mit den Rittern ging es an die Peripherie, zur Allee am Emsbach, zu versteckten Ecken hinter den Häuserfassaden. Das ist natürlich vom inhaltlichen Konzept her absolut stimmig. Die Ursprünge der Stadt waren in der Nähe des Baches. Und dass man beim Theaterspaziergang nicht mal eben so schnell zur Burgruine Alt Ems hinaufwandert, ist auch klar. Das Ganze hat dann aber rein vom Schauplatz her doch nicht ganz den Reiz des Vorjahres.

Umso schwerer hat es das Stück natürlich, auf Park- und Ladeplätzen vom Aufstieg und Fall der Ritter von Ems zu erzählen. Es gelingt, einige etwas ulkige „Ritterspiel“-Szenen inklusive, dann doch gut. Sehr gut sind beispielsweise Szenen wie das Wechselspiel der beiden Brüder Kaspar von Ems und Markus Sittikus in Salzburg. Peter Bocek lässt da die beiden Machthungrigen gekonnt aufeinander los – Krone und Lockenperücke dürfen natürlich nicht fehlen.

Beeindruckend überhaupt auch wie das Schauspiel-Quartett aus Michelle Steiner, Sophia Jenny, Suat Ünaldi und Peter Bocek in die Geschichte einsteigt und mit dem Nibelungenlied aus der Gegenwart in eine mythische Vorzeit springen lässt. Da ist dann plötzlich das Rauschen des Windes da, das der geblendete Gefangene – niemand anderer als der letzte Normannenkönig Wilhelm von Sizilien – auf Alt-Ems durch die Zinnen brausen hört. Da sind dann die ungehobelten, kriegshungrigen Ritter von Ems gegenwärtig. Im Bachbett, hinter Büschen, zwischen Mauerresten, überall wird bei diesem Stationendrama gespielt. So lange, bis Theaterdirektorin Walk das Zeichen gibt und der ganze Tross zur nächsten Station weiterwandert. Gekonnt umgesetzt ist auch die gesamte Ausstattung (Sandra Münchow), die simpel, transport- und zugleich wandlungsfähig ist. Das Stück, ein Text von Amos Postner, hat neben all der Dramatik aber auch immer wieder Witz. Zum Beispiel dann, wenn der karrierewillige Graf ausreitet, sich um eine gute Partie für seine Kinder umsieht und der Zuschauer plötzlich zum Verhandlungspartner wird. Veronika Fehle