“Maria Stuart” von Schiller oder Zwei Königinnen im Testosteronnebel

Martin Kusej zeigt mit „Maria Stuart“ von Friedrich Schiller zuweilen, wie Machtpolitik funktioniert.
Salzburg, Wien Andreas Kriegenburg hat in seiner Bearbeitung der Kleist-Novelle „Michael Kohlhaas“ für eine Kooperation des Deutschen Theaters Berlin und der Bregenzer Festspiele patriarchalische Strukturen als zu Gewalt führende Mechanismen definiert. Das hat funktioniert. Martin Kusej zeigt mit „Maria Stuart“, der letzten Schauspielproduktion der Salzburger Festspiele, die in Zusammenarbeit mit dem Wiener Burgtheater realisiert wurde, von Männern etablierte Macht- und Intrigengeflechte, die zwei Frauen zu schaffen machen. Die Perspektive hat etwas, dass die Sache nicht reibungslos funktioniert, liegt an den Fakten und der Vorlage. Friedrich Schiller hat als Dramatiker zwar gegen fragwürdige Ordnungsprinzipien rebelliert, das Frauenbild seiner Zeit aber nicht abstreifen können. Der kirchenhierarchische Konflikt in der Auseinandersetzung der protestantischen bzw. anglikanischen Königin Elisabeth I. mit Maria Stuart, die die katholische Seite vertritt und durchaus Anspruch auf den englischen Thron hätte, wird ohnehin nur kurz gestreift, obwohl das Religiöse eine Rolle spielt. Kusej installiert für die gestraffte Fassung auf der leeren, mit Erdreich ausgelegten Bühne auf der Pernerinsel in Hallein rund 30 nackte Männer, die den Bewegungsspielraum einengen: Zwei Königinnen im Testosteronnebel.

Die historische Elisabeth wusste sich zu wehren, Maria Stuart wäre als Kontrahentin so oder so aus dem Weg geräumt worden. Bei Schiller muss diese Gefügsamkeit offenbaren bzw. mit ihrem strafenden Gott ins Reine kommen. Birgit Minichmayr spielt dies zumindest nicht im Sinne einer Erhabenheit, sondern mit einem Selbstbewusstsein, bei dem sich gar nicht die Frage stellt, ob es nun zum Text passt oder nicht. Dass in der direkten Konfrontation mit Elisabeth die niedrigen Instinkte überdeutlich aufblitzen, macht das Spiel allerdings ebenso kleiner wie auch die Szenen, in den sich die wendige Bibiana Beglau als Elisabeth ihren Beratern immer wieder an die Brust zu werfen hat. Dass sie die Mechanismen der Intrigen nicht nur durchschaut, sondern dass sie sich als jene erweist, die sie als gut kalkulierende Strategin beherrscht, verleihen diesem “Environment der Emotionen”, das Kusej und seine Ausstatterin Annette Murschetz anbieten wollen, so viel Faszinierendes, dass die pausenlosen, gut zweieinhalb Stunden Spielzeit nicht zu lang erscheinen. Dabei ist es auch nicht störend, dass Leicester (Itay Tiran) etwas blass bleibt, während Norman Hacker als Burleigh einen Hundling gibt – passend, weil klischeefrei. Am Ende verschwinden alle Männer von der Bildfläche, die Elisabeth gehört – so wie es der Historie entspricht.
