Dieser Phallus passt hierher

Kultur / 19.08.2021 • 22:29 Uhr
Johannes Gabl und Maria Strauss (Jedermann und seine Frau) mit dem Ensemble von „jedermann (stirbt)“, dem Stück, das in Dornbirn aufgeführt wurde. Stark
Johannes Gabl und Maria Strauss (Jedermann und seine Frau) mit dem Ensemble von „jedermann (stirbt)“, dem Stück, das in Dornbirn aufgeführt wurde. Stark

Exzellent gewählt, besetzt und inszeniert: “jedermann (stirbt)” beim Ensemble Unpop.

Dornbirn Ältere Theaterhasen können sich noch an Zeiten erinnern als man in Bregenz, wo der Martinsplatz bespielt wurde, darüber diskutierte, ob es nicht möglich wäre, zur Festspielzeit ein Pendant zum Salzburger „Jedermann“ zu finden, ein Stück mit der Zugkraft eines Hofmannsthal‘schen Mysterienspiels. Abgesehen davon, dass man keine Rituale oder nichts derartig Religionslastiges braucht, ist eine solche Suche längst obsolet. Kein laues Sommertheater, aber ein freilufttaugliches, mit sehr viel Witz aufgeladenes Stück zu so komplexer wie ernster Thematik haben Stephan Kasimir und Caro Stark, Leiter des Ensembles Unpop, nun nach Vorarlberg geholt. „jedermann (stirbt)“ des österreichischen Autors Ferdinand Schmalz wurde am Donnerstagabend erstmals im Kulturhauspark in Dornbirn aufgeführt. Fazit: Stückwahl, Schauplatz, Besetzung und Inszenierung sind exzellent.

Die Kraft und das Potenzial des 2018 im Wiener Burgtheater uraufgeführten Werks wurde auch außerhalb des Landes, etwa am Deutschen Theater Berlin, erkannt. Dieser moderne „Jedermann“ kommt ohne Fingerzeig-Moral und Weihrauch aus und verleugnet dennoch seine Herkunft nicht.

Als gäbe es kein Morgen

Schmalz verwendet die meisten Figuren, ordnet oder gewichtet sie neu und zeichnet den titelgebenden Jedermann nach der eigentlichen Wortbedeutung. Der reiche Kerl ist nicht fassbar, soll es auch nicht sein, denn gemeint sind wir alle. Johannes Gabl macht das mit einer Nonchalance deutlich, die ihresgleichen sucht, und Stephan Kasimir arbeitet die Personenregie derart aus, dass nie Gefahr besteht, den leisen Typen als zu blass zu empfinden. Nicht einmal inmitten einer Entourage, die das Partyfeiern zum Lebensinhalt erhoben hat und dies in Gold gewandet zelebriert, als gäbe es kein Morgen. Ausstatterin Caro Stark darf sich bei so viel Geschmeidigkeit und auf den Punkt gebrachten Sätzen trauen, die Szenerie grell auszuleuchten. In der Mitte steht ein riesiger Phallus-Brunnen, dessen Wasserspiel die Szenen durchtaktet. Rundherum erhält das philosophisch subtil aufgewertete, kapitalismuskritische Werk weiters durch Maria Fliri, Wini Gropper, Simon Alois Huber, Helga Pedross, Wolfgang Pevestorf, Maria Strauss und Benjamin Vanyek enorme Dichte.

Weitere Aufführungen am 20. und 21. August, 20.30 Uhr, im Kulturhaus-Park, Dornbirn; 26., 27., 28. August, Gutshof Heidensand, Lustenau. Regenvariante: unpop.at