Musiktipps. Von Fritz Jurmann

Kultur / 17.09.2021 • 21:33 Uhr
Musiktipps. Von Fritz Jurmann

KÜNSTLER Paganini Ensemble Vienna

ALBUM Paganini Quartette für Streicher und Gitarre, Vol. 1

PRODUKTION DYNAMIC

Der aus Hörbranz stammende Gitarrist Alexander Swete zählt zu jenen scheinbar alterslosen Musikern, deren künstlerischer Tatendrang mit der Anzahl ihrer Jahre zu wachsen scheint. Nun hat sich der längst weltweit gefeierte Konzertgitarrist und angesehene Lehrer an der Wiener Musikuniversität nichts weniger vorgenommen als eine Gesamteinspielung von Nicolo Paganinis 15 Quartetten für Streicher und Gitarre mit seinem Paganini Ensemble Vienna. Welch außergewöhnlicher Komponist sich hinter diesem Namen verbirgt, den man gewöhnlich als berühmt-berüchtigten Teufelsgeiger einstuft, lässt bereits das erste Album mit zwei frühen und einem mittleren Quartett in ihrer schöpferischen Fülle und Pracht, ihrem klassischen Ebenmaß erahnen. Es ist eine kulturelle Großtat dieses Ensembles, in wunderbar ausgereiften Einspielungen den Vorhang des Vergessens vor Paganinis kammermusikalischen Delikatessen gelüftet zu haben.

KÜNSTLER Gerhard Vielhaber, Klavier

ALBUM Flor Peeters

Klavierwerke, Vol. 1

PRODUKTION motette/psallite

Komponist Flor Peeters rangiert unverdient unter den weniger Beachteten des 20. Jahrhunderts. Der Bassbariton Clemens Morgenthaler, Gesangspädagoge am Konservatorium, gilt als Peeters-Kenner und veröffentlichte kürzlich die bisher einzige Biografie über ihn. Zum Nachhören sozusagen hat Morgenthaler gemeinsam mit seinem Kollegen Gerhard Vielhaber dazu das erste Album einer CD-Reihe vorgelegt, die einmal Peeters‘ Gesamtwerk umfassen soll. Die Auswahl in Vol. 1 offenbart die Entwicklung seiner Klaviermusik. Der frühen Kunst der Reduktion auf die neue Einfachheit in schlicht hingeworfenen Skizzen für seine Kinder stellt er in seiner späteren Toccata wilden Expressionismus entgegen. Vielhabers Fantasie erweckt alles mit größter Natürlichkeit und Wahrhaftigkeit zu sprühendem Leben. Dass sich darunter auch Weltersteinspielungen finden, hebt den dokumentarischen Wert dieser Produktion.

KÜNSTLER Julia Fritz, Blockflöte, Johannes Hämmerle, Orgel mit Ensemble

ALBUM Angelo Notari, Giovanni Battista Fontana

PRODUKTION audite

Bei dieser CD verdient zuvorderst der Aufnahmeort Beachtung. Es ist die akustisch ideal tragende Basilica di Santa Barbara in Mantua, einer der musikgeschichtlich bedeutendsten Plätze für Musik des frühen 17. Jahrhunderts. Dort ließen sich die seit 2017 am Konservatorium tätige Blockflötistin Julia Fritz und ihr Kollege Johannes Hämmerle an der dortigen Antegnati-Orgel von 1565 mit ihrem Ensemble zu einem Album inspirieren, bei dessen Klang, Ausdruck und Stilsicherheit man sich sofort um 400 Jahre zurückversetzt fühlt in die Zeit Claudio Monteverdis. Ersteinspielungen frühbarocker Arien von Angelo Notari mit dem klaren, vibratoarmen Sopran von Magdalena Harer werden den sechs Blockflöten-Sonaten seines Zeitgenossen Giovanni Battista Fontana mit der farbenreich und virtuos gestaltenden Julia Fritz und der historischen Harfe von Reinhild Waldek gegenübergestellt. Authentischer geht’s nicht mehr.

KÜNSTLER Claire Huangci, Klavier

ALBUM Bach Toccatas BWV 565,

910 – 915,

PRODUKTION BERLIN CLASSICS/EDEL KULTUR

Eben noch gefeiert beim Galakonzert von Vaduz Classic, legt die amerikanische Pianistin Claire Huangci ihr neues Album mit Johann Sebastian Bachs Toccaten vor. Das ist ein großer Schritt von ihrer letzten Einspielung mit Chausson und Ravel zurück ins Barock, für die flexible Künstlerin freilich nur ein Katzensprung, der an ihr gefeiertes Scarlatti-Debütalbum erinnert. Gleich der Einstieg könnte fesselnder nicht sein: Es ist Bachs berühmteste Toccata in d-Moll, infolge ihres Hitcharakters auch „Die Epidemische“ genannt, hier freilich vom gewohnten Klang der großen Orgel in einer Busoni-Bearbeitung reduziert auf die Möglichkeiten eines modernen Konzertflügels. Das eröffnet, dank Huangcis subtiler Anschlagstechnik, faszinierend neue Einsichten in Klarheit und Konstruktion des Werkes. Auch den weiteren Toccaten verleiht sie in messerscharfer Präzision eine Fülle an differenzierten Farb- und Ausdrucksnuancen.

Musiktipps. Von Fritz Jurmann
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