Klavierduo Jussen: Temperament zu vier Händen

Das niederländische Klavierduo Jussen begeisterte beim Eröffnungskonzert der Schubertiade.
HOHENEMS Der letzte Teil der diesjährigen Schubertiade, deren erste Hälfte der Corona-Pandemie geopfert werden musste, wurde am Donnerstag im vollen Marcus-Sittikus-Saal von einem Klavierduo eröffnet. Das junge holländische Brüderpaar Lucas und Arthur Jussen markiert auch gleichzeitig einen Generationenwechsel, denn seit vielen Jahren war das israelisch-deutsche Klavierduo Yaara Tal & Andreas Groethuysen bei diesem Festival auf die vierhändige Klaviermusik abonniert. Die Jussens wurden nach ihrem Debüt 2019 erneut ihrem Ruf gerecht und lieferten zur Begeisterung des Publikums eine kurzweilige Tastenshow ab.
Lucas ist 28, sein Bruder Arthur 24. Die enge Verwandtschaft ist bei vielen Klavierduos von heute fast Voraussetzung für größtmögliche Übereinstimmung auf kleinstem Raum an 88 Klaviertasten und wird auch hier zum Um und Auf ihres Spiels. Dieses Gemeinsame gründet von frühester Jugend an auf so sicherem Fundament, dass die beiden sogar noch Platz finden für originelle Einlagen, die fast in den Bereich der Klavierartistik reichen, ohne dabei auch nur im Geringsten aus dem Konzept zu geraten. Sie wechseln sich ab in der „Primo“- und „Secondo“-Rolle in der oberen und unteren Hälfte des Klaviers. Sie tun dies aber unvermittelt auch während einer Reihe von Polonaisen und kommen einander mit den Händen scheinbar ins Gehege.

Doch abseits spaßiger Einlagen wird sehr ernsthaft und überzeugend musiziert, auch sehr im Geiste Schuberts gleich mit dessen vierhändigem „Grand Rondeau“, das sich wie Hausmusik ausnimmt. Mendelssohns Andante und Allegro brillante fordern dann schon eine gehörige Portion an Geläufigkeit, blendendem Zugriff und Kraft, dem der Steinway klanglich wunderbar gewachsen ist. Dazwischen erhält jeder der beiden Klavierkünstler die Möglichkeit, sich solistisch an je zwei von Schuberts populären Impromptus zu erproben, wobei Lucas Jussen mit dem ungemein sanglich zelebrierten Werk in B-Dur D 935/3 die Palme gebührt.
Den Abschluss bilden Schuberts flinke Variationen über ein Opernthema, weniger musikalisch als vielmehr auf äußeren Effekt angelegt und damit dankbares Virtuosenfutter. Wunderbar, wie sie diesen lockeren Abend nach Bizets „Jeu d’enfants“ unvermutet tiefsinnig mit dem Bachchoral „Gottes Zeit ist die beste Zeit“ in einer Kurtág-Bearbeitung abrunden. JU
Schubertiade Hohenems, 2. Oktober: 16 Uhr Apollon Musagète Quartett; 20 Uhr, Julia Hagen, Violoncello, Igor Levit, Klavier; 3. Oktober 16 Uhr: Duo Jussen.