Die junge Generation trumpft auf

Kultur / 05.10.2021 • 19:15 Uhr
Cellist Kian Soltani mit der Geigerin Hyeyoon Park, dem Pianisten Benjamin Grosvenor und dem Bratschisten Timothy Ridout. schubertiade
Cellist Kian Soltani mit der Geigerin Hyeyoon Park, dem Pianisten Benjamin Grosvenor und dem Bratschisten Timothy Ridout. schubertiade

Bei der Schubertiade setzt ein Ensemble mit Kian Soltani die Schwerkraft außer Betrieb.

HOHENEMS Das war im Markus-Sittikus-Saal wieder eine jener Überraschungen, mit denen die Schubertiade auch altgediente Besucher gerne aus der Fassung zu bringen pflegt. Vier international tätige Solisten der jungen Generation aus drei Nationen haben sich da zu einem noch namenlosen Ensemble in der eher seltenen Besetzung eines Klavierquartetts zusammengefunden und nach Auftritten in der Londoner Wigmore-Hall und anderen berühmten Spielstätten nun auch bei uns Station gemacht. Die drei romantischen Werke für Klavier plus Streichtrio wurden exzellent und mit jugendlichem Feuer musiziert.

Der iranisch-stämmige Bregenzer Cellist Kian Soltani hat konsequent seine internationale Karriere verfolgt und damit neben zahlreichen Soloauftritten, dem Trio mit Daniel Barenboim und dem Duo mit Aaron Pilsan ein weiteres attraktives Betätigungsfeld gefunden. Übrigens steht demnächst auch seine neue CD „Cello Unlimited“ zur Veröffentlichung an. In Hohenems musizieren mit ihm zusammen als Schubertiade-Debütanten die koreanische Geigerin Hyeyoon Park, die durch ihre blitzsaubere Tongebung auffällt, und der unglaublich präzise britische Pianist Benjamin Grosvenor, der vor allem in den Scherzi mit seiner Kunst auftrumpft. Und da ist noch der lockere britische Bratschist Timothy Ridout als heimlicher Chef des Ensembles, von dem mehr Spielimpulse ausgehen als von der Primaria.

Neben dieser aufregenden Besetzung ist es aber auch das Programm, das fasziniert. Speziell für fleißige Konzertgeher, die unter Petrenko am Wochenende Mahlers großartige Neunte erlebt haben, bietet ein einzelner Klavierquartettsatz in a-Moll dieses Komponisten eine fantastisch neue Sichtweise. Von 96 auf vier Musiker reduziert erscheint dieses einzige aufführbare Kammermusikwerk des 16-Jährigen wie aus der Zeit gefallen. Da ist noch kaum etwas von den berühmten Schärfen seiner Orchestersprache zu spüren, immerhin aber bahnen sich in einem expressionistischen Aufrauschen aus einem kleinen Motiv erste symphonische Ansätze im dichten Satz der Instrumente ihren Weg.

Transparenz

Die beiden weiteren Werke sind formal geschlossene Beispiele des Schaffens eines Vorgängers und eines Zeitgenossen Mahlers für diese Besetzung. Schumanns Klavierquartett op. 47 fällt da im direkten Vergleich emotional etwas ab, bleibt relativ harmlos als schöne, ungetrübte Kammermusik im Wohlbehagen ihrer Zeit um 1842 stecken. Auch hier herrscht ein überwiegend symphonischer, breiter Ton vor, getragen von einer gekonnten thematischen Verarbeitungstechnik und mit einem Andante cantabile von solcher Transparenz, dass die Schwerkraft außer Betrieb gesetzt zu sein scheint.

Von ganz anderem Zuschnitt dann das aufwühlende Klavierquartett c-Moll op. 13, das Richard Strauss als 20-Jähriger in die Nähe des von ihm verehrten Johannes Brahms gerückt hat. Höchste Virtuosität und Klanglichkeit pur wird da in messerscharfen Einsätzen von den Musikern gefordert und eingelöst, gespielt wird in einem leidenschaftlichen Fluss mit pathetischen Steigerungen. Immer wieder bricht sich das Klavier Bahn zur Führung im Ensemble, trotzdem wird nie ein Klavierkonzert daraus. Denn die Balance unter den vier Instrumenten ist auch hier sehr ausgewogen, sogar im turbulenten Finale des letzten Satzes, als alle Dämme brechen. Brahms kommt in der stürmisch geforderten ersten Zugabe auch noch selbst zu Wort, mit dem übermütigen „Rondo alla Zingarese“ aus seinem g-Moll-Quartett.