Genau erschaut und fein artikuliert

Kultur / 22.10.2021 • 17:26 Uhr
Genau erschaut und fein artikuliert

„Ein Tage- und Arbeitsbuch“ nennt Terezia Mora Aufzeichnungen mit dem Titel „Fleckenverlauf“.

Erzählungen Es ist Moras persönlichstes Buch bisher, aber wie alle anderen: genau erschaut, fein artikuliert, stets melancholisch. Wer Moras Belletristik kennt, fühlt sich hier mitunter wie Alice hinter dem Spiegel. Ihre Figuren sind wieder da, nicht als Teil einer fiktiven Welt, sondern als wirksame Akteure in einer zutiefst mit der Alltagsrealität verwobenen Prosa. Sie haben Interessen und Eigenschaften, die ihre Autorin wie unfreiwillig umtreiben.

Doch ebenso wie ihre literarischen Texte oszillieren diese Notizen zwischen Poesie und Lakonie, zwischen den Höhenflügen der Weltliteratur und den Mühen der schriftstellerischen Ebene: niedrige Honorare, umständliche Reisen, Zeitnot. Mit welcher Selbstverständlichkeit und sicheren Hand sie soziale Medien als Quelle benutzt und die zeitgenössische Praxis der Selbstdarstellung, der collagierten öffentlichen Privatheit für sich in Buchform in Anspruch nimmt, unterstreicht Moras Fähigkeit, der Gegenwart auf den Puls zu fühlen.

“Fleckenverlauf”, Terezia Mora, Luchterhand Verlag, 288 Seiten.