Eine wilde Verdi-Oper in toller Besetzung

„Il trovatore“ unter neuem Generalmusikdirektor und in fabulösem Mittelalter-Look.
ZÜRICH Das Libretto ist zwar berüchtigt für seine Unglaubwürdigkeit. Die Komposition von Giuseppe Verdi aber enthält musikalische Perlen – und ist entsprechend beliebt. Die Antrittsproduktion von Gianandrea Noseda als neuer Generalmusikdirektor am Opernhaus gilt also einem verlässlichen Wiederkehrer des Opernrepertoires. Und diesen geglückten Start des gebürtigen Mailänders mit Jahrgang 1964 wird man auch als eine kleine programmatische Verbeugung vor Italiens berühmtestem Opernkomponisten deuten dürfen. Noseda lässt die Qualitäten der in der Tat ungemein inspirierten Partitur ausmusizieren, indem zum Beispiel das Hausorchester, die Philharmonia Zürich, die Dynamik wirkungssicher herauspräpariert – einschließlich eines fröstelnd machenden Pianissimos. Auch die raffinierte Instrumentation wird unter Noseda erfahrbar: So werden schon die unheilschwangeren Paukenwirbel am Anfang deutlich ins Schaufenster gestellt.

Der einst missratene Versuch der Zigeunerin Azucena, den Tod der Mutter auf dem Scheiterhaufen zu rächen, setzt in dem Werk eine Handlung frei, deren Elemente filmschnittartig gereiht sind und doch eine besondere Sogkraft entwickeln. Leonora liebt hier den rebellischen Troubadour Manrico und wird von diesem wiedergeliebt, aber auch der ruchlose Graf Luna ist Leonora verfallen, wobei einzig Azucena weiß, dass die Feinde Manrico und Graf Luna eigentlich Brüder sind. Das Ende ist schrecklich. Aber auch schrecklich schön dank Verdis Klängen.

Die walisische Regisseurin Adele Thomas und die Ausstatterin Annemarie Woods suchen erst gar nicht krampfhaft nach Glaubwürdigkeit in dem Stück. Sie finden ihr Heil darin, dass sie gleich bei der originalen Handlungszeit, also dem 15. Jahrhundert, bleiben. Tänzer im Mittelalter-Look heizen das Geschehen auf mit flinken Bewegungen, sodass die Protagonisten wie von Flammen umzüngelt werden. Weitere fabulöse bis skurrile Motive aus der albtraumhaften Bilderwelt eines Hieronymus Bosch beleben den Abend. Und selbst der Grundeinfall mit einer nach hinten zu ansteigenden Treppe in dem variierten Einheitsbühnenbild funktioniert erstaunlich gut – wirkt dann allerdings doch nicht restlos plausibel.

Die Besetzung bei diesem Stück sei ganz einfach, meinte einst der Tenor Enrico Caruso: Man nehme einfach die vier weltbesten Sänger. Im Falle von Marina Rebeka, die in Zürich nun die Leonora gibt, ist man versucht zu vermelden, sie bestehe sogar den interpretatorischen Realitätscheck für diesen Joke: Die lettische Sopranistin führt ihre in allen Registern betörende Sopranstimme technisch wahrlich makellos. Piotr Beczala singt mit tenoralem Schmelz und mit „forza“ (und wie immer einigem Druck) und ist Rebeka so ein würdiger Partner. Agnieszka Rehlis singt und spielt eine rundum überzeugende Azucena, und Quinn Kelsey gibt einen sehr eindrucksvollen Grafen. Musikalisch von Janko Kastelic offenbar bestens einstudiert und auch in aufgeräumter Spiellaune präsentiert sich der Chor. Torbjörn Bergflödt
Weitere Vorstellungen bis 26. November: www.opernhaus.ch
