Das Burgtheater begibt sich im Gothic-Look auf Publikumssuche

Kultur / 01.11.2021 • 20:32 Uhr
Florian Teichtmeister mit dem Team in „Der Selbstmörder“ von Nikolai Erdman am Wiener Burgtheater. theater/Matthias Horn
Florian Teichtmeister mit dem Team in „Der Selbstmörder“ von Nikolai Erdman am Wiener Burgtheater. theater/Matthias Horn

Der Cast mit Florian Teichtmeister rettet die Satire „Der Selbstmörder“ von Nikolai Erdman.

Wien Die großen Wiener Bühnen haben gerade keine gute Zeit. Zuerst wurde ihnen wegen Corona eine weit längere Schließzeit als beispielsweise in Vorarlberg verordnet, und nun traut sich ein Teil des Publikums nicht mehr in die Häuser. Was tun? Unverzichtbare Produktionen anzubieten, gestaltet sich schwierig. Jüngstes Beispiel ist die Komödie „Der Selbstmörder“ von Nikolai Erdman. Anfang 1930 entstanden, unter Stalin aber verboten, tauchte die Politsatire erst ab den 1970er-Jahren ab und zu irgendwo auf. Nun erinnert nicht nur das Wiener Burgtheater an die gesellschaftskritisch-skurrile Story um einen Arbeitslosen, dessen Tod die Mitwelt (Vertreter von Kunst, Kirche, geistiger Elite, Handwerk, Gewerbe etc.) zu Propandazwecken oder persönlicher Revanche nutzen will, am Münchner Volkstheater kümmert sich demnächst Claudia Bossard um die Tragikomödie.

Viel Körpereinsatz

In Wien ist die Regie mit Peter Jordan und Leonhard Koppelmann gleich doppelt besetzt, dafür agieren fast alle Schauspieler in mehreren Rollen. Das macht nichts, im Gothic-Look gekleidet (Ausstattung: Michael Sieberock-Serafimowitsch) und zumeist mit Tattoos versehen, ist die Partie nicht das Wichtigste, haben doch fast alle die perfide Absicht, den Verblichenen per Abschiedsbrief als Sprachrohr zu verwenden, den Selbstmord also mit Bemerkungen zu begründen, die man unter Hammer und Sichel kaum unbestraft los wird. Die Szene ist düster (das Mietshaus mit Gemeinschaftsbad befindet sich irgendwo neben einer Eisenbahnbrücke), das Spiel hingegen heiter, zuweilen witzige Eifersüchteleien und vor allem Anzüglichkeiten nützen sich trotz viel Körpereinsatz und immer wieder gut gesetztem Esprit jedoch vor Ende der fast dreistündigen Aufführung ab. Florian Teichtmeister schafft es als arbeitsloser Semjon Semjonowitsch Podsekalnikov immerhin, nie aus dem Fokus zu geraten. Das will bei der Exzentrik, die die Regie allen anderen eingeimpft hat, die da den Tod verwerten wollen und die nur Dietmar König einmal kurz durchbricht, etwas heißen. Auch seinen Lebenswillen ohne Sentimentalität zu bekunden, von der sein Text nicht frei ist, unterbricht die lähmend werdende Oberflächlichkeit.

Nächste Aufführung von “Der Selbstmörder” am 2. November sowie zahlreiche weitere: www.burgtheater.at