Komponist Marcus Nigsch gab Einblick in sein Schaffen

Kultur / 13.11.2021 • 19:00 Uhr
Komponist Marcus Nigsch gab Einblick in sein Schaffen
Sinfonietta Vorarlberg mit Marcus Nigsch. JU

Musik für die Bilder im Kopf: Sinfonietta Vorarlberg spielte Werke international erfolgreichen Komponisten Marcus Nigsch.

LUSTENAU Markus Nigsch, 49, hat es schon in seiner ersten Karriere als Popsänger Marque verstanden, stets eine Aura des Geheimnisvollen um sich zu verbreiten. Nun, inzwischen zum international gefragten Komponisten zeitgenössischer Filmmusik mutiert, stand er auf der Bühne des gut gebuchten Reichshofsaales und fuhr mit einem Porträtkonzert seiner Werke einen veritablen Publikumserfolg ein. Die Sinfonietta Vorarlberg unter Benjamin Lack war ihm ein hochkarätiger Partner in der Umsetzung seiner musikalischen Bilder.     

Marcus Nigsch spricht auch bei mehrteiligen Werken nicht von Sätzen, sondern von Bildern, so sehr bestimmt das Filmgeschäft seine Denk- und Arbeitsweise. Mit zunehmendem Erfolg hat er sich in den letzten Jahren als begnadeter Romantiker unserer Zeit, als Erfinder großer Melodien profiliert. Ob das nun die Punzierung „zeitgenössisch“ trägt, ist völlig nebensächlich. Ein großer Komponist muss freilich nicht zwangsläufig auch ein guter Moderator sein, und so tut sich Nigsch am Anfang schwer, seine Arbeit vorzustellen. Erst als er sich in kleine Späßchen flüchtet, hat er mit den ersten Lachern auch schon das Publikum auf seiner Seite und bleibt damit authentisch.

Die Sinfonietta Vorarlberg mit Mitgliedern des SOV mit 25 Musikern unter der Leitung von Benjamin Lack. <span class="copyright">JU</span>
Die Sinfonietta Vorarlberg mit Mitgliedern des SOV mit 25 Musikern unter der Leitung von Benjamin Lack. JU

Das Programm verheißt zwei Konzertstücke und zwei Filmmusiken aus der Kompositionswerkstatt von Marcus Nigsch. Wer sich vielleicht erwartet hatte, dass es dabei auch zu Filmzuspielungen oder zumindest zu Stehbildern daraus kommen würde, weil eine Filmmusik ohne Film ist wie ein Butterbrot ohne Butter, wird enttäuscht. Dies ist schon platzmäßig, technisch und auch rechtlich nicht möglich. Damit aber kommt die Stunde der Wahrheit für die Qualität einer Filmmusik, die nun auch ganz ohne Bilder bestehen muss und das auch tut. Mehr noch, denn Nigschs Musik ist so inspirierend, dass sie auch ohne optische Hilfsmittel beim Zuhörer mit etwas Fantasie Bilder im Kopf erzeugt, die unter Umständen spannender sein können als echte Filme.

Der einleitenden Musik zum Streifen „Der Blunzenkönig“ mit Karl Merkatz merkt man an, dass der Komponist im Film nach Nigschs Aussage viele zeitliche und formale Vorgaben zu erfüllen hat, die sich im Konzertsaal als eher hinderlich erweisen. Die Suite „Imágenes vivas“ entstand 1971 für das Quinteto del Arco Nuevo der Geigerin Monica Tarcsay, die auch hier als überlegene Konzertmeisterin wirkt. Das durch den Tango Nuevo von Astor Piazzolla inspirierte achtteilige Werk erklingt in seinen vielen Farben und rhythmischen Akzenten erstmals im neuen Orchester-Arrangement, hübsche, eingängige Musik voll origineller Einfälle und doch etwas lang, bis alle Stimmungen bis zum Schlafliedchen abgehandelt sind.   

 Der Solist im Akkordeonkonzert „Leptir“ von Marcus Nigsch war Goran Kovačević.  <span class="copyright">JU</span>
Der Solist im Akkordeonkonzert „Leptir“ von Marcus Nigsch war Goran Kovačević. JU

Wirklich spannend wird es mit der dreiteiligen Suite aus dem Film „Die grüne Mamba“ mit Michael Niavarani und Christoph Maria Herbst. Auch wenn man den Streifen nicht gesehen hat, erzeugt diese Musik in ihrer Bedrohlichkeit die Vorstellung von Gefahr: ganz großes Kino! Am Schluss steht dann das absolute Meisterwerk des Klangzauberers Nigsch, sein 25-minütiges Akkordeon-Konzert „Leptir“. Das 2018 uraufgeführte Werk hat mit dem Genre Film nun überhaupt nichts zu tun, und dennoch entfaltet die Geschichte vom Schmetterling, der seine Reise über 5.000 km antritt, so viel Imaginationskraft, dass sich unwillkürlich wieder Bilder im Kopf der Zuhörer ergeben. Dazu trägt auch die unglaublich zartfühlende, duftige Instrumentierung bei, die die Musik so zerbrechlich wirken lässt wie eben einen Schmetterling. Der sagenhafte Solist Goran Kovačević scheint wie verwachsen mit seinem Instrument, lässt es zwitschern, singen und bei Bedarf auch mit dem Luftbalg fauchen.

Eine besondere Anerkennung gilt der fast durchwegs mit Musikern des SOV besetzten Sinfonietta Vorarlberg, die unter Leitung des Allrounders Benjamin Lack zu einsamer Größe aufwächst. Das ist allein deshalb bemerkenswert, weil für dieses über zweistündige besondere Programm bloß zwei Probentage zur Verfügung standen. Fritz Jurmann

5. Jänner 2022, 20 Uhr, Reichshofsaal Lustenau: Neujahrskonzert der Sinfonietta