Warum man von dieser jungen Vorarlberger Geigerin sicher noch viel hören wird

Kultur / 14.11.2021 • 19:00 Uhr
Warum man von dieser jungen Vorarlberger Geigerin sicher noch viel hören wird
Elisso Gogibedaschwili mit dem Kammerorchester Arpeggione im Rittersaal in Hohenems. jU

Elisso Gogibedaschwili machte ein Violinkonzert mit Arpeggione zum persönlichen Triumph.

HOHENEMS Ein Abend, auf den die Geigerin Elisso Gogibedaschwili über eineinhalb Jahre warten musste, bis er für sie nun zum Triumph wurde. Ständige Lockdowns verhinderten alle Ersatztermine für das im März 2020 geplante Beethoven-Violinkonzert. Erst dieser vierte Anlauf am Samstag führte endlich zum Erfolg. Die überragende künstlerische Leistung einer 21-Jährigen, der Jubel und die spontanen Standing Ovations des Publikums waren die einzig richtige Antwort auf die Unbilden und Probleme von Corona.

Freilich ging dieser vierte Anlauf in einem zusätzlichen Schlusskonzert zur achtteiligen Arpeggione-Reihe nicht ohne strenge behördliche Auflagen vonstatten. Stéphanie Waldburg-Zeil mahnte als Präsidentin in ihrer Begrüßung die Zuhörer: „Genießen Sie es, das ist heute alles nicht mehr so selbstverständlich!“ Wie in einer Vorahnung hatte Intendant Irakli Gogibedaschwili für dieses Programm das Motto „Schicksalsjahr“ ausgegeben, womit freilich 1870 gemeint war, als Richard Wagner seiner Gattin Cosima in der Villa Triebschen bei Luzern zum Geburtstag sein traumhaftes „Siegfried-Idyll“ schenkte. Da zeigen sich unter ihrem genesenen Chefdirigenten Robert Bokor die Arpeggione-Musiker an diesem Abend in großer Form, versenken sich klangschön und voll Inbrunst, aber ohne übertriebenes Pathos in den scheinbar endlosen Fluss der Melodien Wagners, die an Zuneigung und Intimität kaum zu übertreffen sind. Schon zuvor hat das berühmte Sextett aus der Oper „Capriccio“ von Richard Strauss in der Orchesterfassung durch die hohe Qualität der Streicher aufhorchen lassen. Robert Bokor ist bei beiden Werken ein unaufgeregter, präziser und präsenter Motivator, der in seinem Gestaltungsspielraum die Übersicht, den großen Fluss bevorzugt.

Ein denkwürdiger Abend im Hohenemser Rittersaal. <span class="copyright">JU</span>
Ein denkwürdiger Abend im Hohenemser Rittersaal. JU

Und dann der lang ersehnte Höhepunkt mit Beethovens einzigem Violinkonzert, einem 45-minütigen Standardwerk der Violinliteratur. Elisso Gogibedaschwili, die mit fünf ihre ersten Bogenstriche gesetzt hat und heute international unterwegs ist, spielt das Werk auswendig, eine unglaubliche Leistung, mit der die Geigerin gleich einmal überrascht. Beethovens einziges Violinkonzert ist kein extrem geläufiges Virtuosenstück, seine Anforderungen liegen mehr im Lyrischen, in der Ausdruckskraft, der Gefühlstiefe des Soloparts, die die Solistin mit blühendem Ton auf ihrer Guarneri von 1800 auch betont, besonders im Larghetto. Im Rondo langt sie kraftvoll zu, in blitzenden Läufen und Kaskaden bis in höchste Lagen, wahrt in jeder Situation die Haltung der großen, überlegenen Künstlerin, die genau weiß, was sie will und niemals auch nur den Hauch einer Unsicherheit zulässt. Sie fühlt sich wunderbar getragen vom Dirigenten und jedem einzelnen Musiker, die ihr im sprechenden Dialog eine fundierte, aber flexible Basis zur Entfaltung ihres Soloparts bieten. Als Zugabe hält sie ein verinnerlichtes Bach-Adagio in g-Moll parat.

Ein denkwürdiger Abend für Arpeggione, den Intendanten, den Chefdirigenten, das Publikum. Vor allem aber für die Künstlerin Elisso Gogibedaschwili, die es allen gezeigt hat und für deren weitere Karriere ich gerne die Hand ins Feuer legen möchte. Es wird in Zukunft noch viel von ihr zu hören sein. Fritz Jurmann