Besondere Begegnung mit Georgia O’Keeffe in Basel

Fondation Beyeler zeigt Werke der bedeutenden Malerin Georgia O’Keeffe.
Basel-Riehen Georgia O’Keeffe gilt als Beispiel für einen unabhängigen Lebensentwurf, für die selbstbewusste Haltung einer Künstlerin, die die Mechanismen der Abwertung von Frauen in diesem Beruf kannte und sich zu wehren wusste: „Ich habe beschlossen, dass ich ganz schön verrückt wäre, würde ich nicht wenigstens beim Malen das ausdrücken, was ich wollte.“ Mit ihrem Namen stehen unweigerlich Blumenbilder in Verbindung, die als gemalte Close-ups zu den Ikonen der bildenden Kunst im 20. Jahrhundert zählen. Deren von Sigmund Freud inspirierte Interpretation der Betrachter als Übertragung weiblicher Körperformen oder Sinnlichkeit in der Malerei sowie die Nacktaufnahmen, die ihr Ehemann, der Fotokünstler und Galerist Alfred Stieglitz von ihr machte, verschafften O’Keeffe zwar einen Platz in der Populärkultur und dürften auch den Marktwert der Bilder beflügelt haben, erfahrbar wird das Werk der Amerikanerin aber nur in gut gemachten der seltenen Retrospektiven.
Nach einer in der Aussagekraft nur begrenzt vergleichbaren, kleineren Werkschau vor fünf Jahren im Kunstforum in Wien präsentiert eine solche nun die Fondation Beyeler in Basel-Riehen mit rund 90 Werken in Zusammenarbeit mit dem Pariser Centre Pompidou, dem Thyssen-Bornemisza-Museum in Madrid und dem Georgia O’Keeffe Museum in Santa Fe.

Kuratorin Theodora Vischer weiß um die Wirkung der Räume in diesem in einem Park gelegenen Gebäude von Renzo Piano, das demnächst durch einen Bau von Peter Zumthor erweitert wird. Während uns das Frühwerk der akademisch ausgebildeten und eine Zeit lang auch lehrenden Künstlerin in einem eigens dunkel gehaltenen Saal vor Augen führt, dass Georgia O’Keeffe (1887-1986) ab 1915 in Auseinandersetzung mit Gegenständen und der Natur eine Abstraktion bietet, die über die damals geschaffenen Arbeiten eines Kandinskys hinausweist, bleiben die großen Fenster dieses Mal weitgehend unverhüllt.
Auch wenn die Natur nun Tag für Tag mehr erwacht, tritt sie nicht in Konkurrenz zu den Gemälden, sie ergänzt vielmehr die starke Erzählung, die der Rundgang verfolgt, wenn deutlich wird, dass sich die Malerin jeweils über längere Zeit der Landschaft von New Mexico aussetzte, um die Möglichkeiten der Annäherung künstlerisch auszuschöpfen. Dabei sei erwähnt, dass sie bei einer Europareise unbedingt die Montagne Sainte-Victoire in Südfrankreich sehen wollte, die Cézanne über Jahrzehnte beschäftigte. Bei O’Keeffe war es auch eine Lebenshaltung, die sie in die Hitze und die Kargheit des Südwestens der USA trieb.

Während die Pflanzen, eine Eichenlaub-Studie, Mohnblumen, Stechapfelblüten oder ein Kastanienbaum aus den 1920er- und 1930er-Jahren die Konzentration auf Details fördern, aber auch Kontemplation im guten Sinn ermöglichen, dokumentiert ihr Blick auf Wolkenkratzer in New York, auf den East River oder auch nur auf eine Scheune eine spezifische Gestaltungskraft. Die vor allem in den 1940er-Jahren entstandenen Landschaften mit Schädeln und Tierknochen mögen das Thema Vergänglichkeit und Gewalt streifen, letztendlich ist es aber ihre intensive Beschäftigung mit Abstraktion und Gegenständlichkeit, die etwa zur Werkserie „Pelvis“ führte, auf der die Beckenknochen eines Tieres zu Sichtfenstern mutieren, die auf die Landschaft und den Himmel blicken lassen. Am Ende erscheint der Weg zu ihrem Haus nur noch als geschwungene Linie und bei Betrachtung der Beispiele strenger Reduktion, die in „My Last Door“ (1954) oder in „Sky Above Clouds“ (1976/77) mit nichts als Weiß und einem gelbgrünblauen Streifen gipfeln, verflüchtigen sich rasch jegliche erotische oder Befindlichkeitsklischees, die Georgia O’Keeffe angehaftet wurden.
Geöffnet in der Fondation Beyeler in Basel-Riehen bis 22. Mai, täglich, 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr.