“Leonce und Lena” mit viel Politik und genauso viel Liebe

Büchners großes Lustspiel ist beim Landestheater bestens gemixt.
Bregenz Eine Überschneidung zwischen Fiktion und Realität ist dem Zufall geschuldet, denn am Premierenabend war auch draußen Vollmond, als sich der Erdtrabant am Bühnenhimmel im Vorarlberger Landestheater zeigte, um den Weg zu beleuchten, auf dem nicht nur Leonce und Lena zueinander finden, sondern auch Valerio und die Gouvernante. Weitere Entsprechungen bezeugen die Stärke des Lustspiels von Georg Büchner, das im Jahr 1836 erschienen ist (erst Jahrzehnte später auf die Bühne fand) und uns immer wieder von Neuem ob der Tatsache fasziniert, wie zeitlos gültig der Schriftsteller seine intensive Beschäftigung mit Gefühlsregungen von Adoleszierenden (und Aufbegehrenden) sowie dem Eingebundensein des Individuums in die herrschenden politischen Systeme zum Ausdruck bringt. Bei “Leonce und Lena” geschieht dies zudem bei Überlappung eines plakativ überzeichneten Grobgerüsts mit philosophischen Feinheiten.

Darauf konzentriert sich Regisseurin Milena Fischer bei der Inszenierung, mit der die Bühne nach “Woyzeck” und “Lenz” ihre Büchner-Reihe fortsetzt. “Leonce und Lena” wird bei ihr nicht auf eine Spielart zurechtgebogen, sie vertraut erstens der Ästhetik der Commedia dell’arte und deren Wirkung, wenn es darum geht, politische Pointen zu schärfen sowie zweitens einem Ensemble, das sich den Text derart zu eigen macht, dass auch beim lebendigen oder konkret übertriebenen Spiel keine der vielen zynischen Bemerkungen verloren geht oder in Manieriertheit versinkt. Mit einer Ausstattung, die bei der Bühne mit ein paar verschiebbaren Podien, Blumen und dem erwähnten Mond auskommt und in den Kostümen einen virtuosen Bogen vom Ancien Régime bis ins Heute spannt, erweist sich Philipp Eckle als toller Partner. Dass Matthias Grote auch noch die entsprechenden Musiknummern arrangiert hat und darauf bauen kann, dass am Landestheater mittlerweile ein paar Gesangstalente engagiert sind, verleiht der Produktion eine besondere Kompaktheit.

Damit die Politsatire und die Komödienromantik als gute Mixtur erfahren werden, braucht es ein konzentriertes Agieren. Fischer lässt die Hofschranzen Unterwürfigkeit und Eigennutz mit Luzian Hirzel und David Kopp durchtänzeln und durchbricht diese Szenen, in denen die Personen wie Puppen einer aufgezogenen Spieluhr wirken, urplötzlich, um der Weltsicht des Prinzen Raum zu geben, den Nico Raschner als Schwermütigen wie als immer noch Neugierigen so gut fassbar macht. Lena bekommt dafür weniger Möglichkeiten, Maria Lisa Huber schöpft jedoch aus dem Textmaterial alles heraus, was geht. Valerio (Sebastian Schulze) und die Gouvernante (Vivienne Causemann) wissen mit Sarkasmus und dem Privileg der vielschichtigen Figuren umzugehen. Am Ende – wir wissen, dass die Königskinder mit der Heirat Rollen übernehmen, die sie nicht wollten – scheint das Karussell leer zu laufen, andererseits werden gerade die schroffen Tempobehandlungen im Text sowie die jeweils raschen Entscheidungen von Leonce hervorragend herausgearbeitet. Dass sich die Regie für einen finalen Hoffnungsschimmer entschied, dürfte den Premierenjubel gesteigert haben.

Weitere Aufführungen von “Leonce und Lena” von Georg Büchner am Vorarlberger Landestheater in Bregenz vom 23. Februar bis 1. März: landestheater.org
