Ein Weihnachtsgeschenk mitten im Fasching

Kultur / 25.02.2022 • 11:00 Uhr
Ein Weihnachtsgeschenk mitten im Fasching
Cellistin Beatriz Blanco und Dirigenten Benjamin Lack mit dem Sinfonieorchester des Landeskonservatoriums. Marin

Für die abgesagte Matinée trumpft das Sinfonieorchester des Konservatoriums mit einer tollen Soirée auf.

FELDKIRCH Was Corona nicht alles zuwege oder auch durcheinanderbringt: Da platzt die traditionelle Weihnachtsmatinée des Landeskonservatoriums, ein jährliches gesellschaftliches wie musikalisches Event ersten Ranges, nun verkleidet als Sinfonische Soirée mitten in die Faschingswoche, die auch keine richtige mehr ist, weil sogar den Narren in der Pandemie längst das Lachen vergangen ist. Weihnachten ist zwar schon lange hin – und doch mutet dieses Konzert im Festsaal an wie ein verspätetes „Christkindle“ für die zahlreichen Besucher.

Das hochklassige Niveau, auf dem hier von einem ausgewiesenen Studentenorchester ganz ohne Professoren musiziert wird, mitgerissen von der überragenden Cellosolistin Beatriz Blanco und angefeuert von dem wie elektrisch aufgeladenen Dirigenten Benjamin Lack – dies alles ist nun wirklich ein Geschenk ans Publikum und wird sogar zum Fest.

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Die Freude ist auch generell groß über ein Liveereignis mit jungen Musikern in Echtzeit. Weil damit nun endlich auch wieder ordentlich geprobt werden konnte – anders wäre man keinesfalls an die Öffentlichkeit gegangen! –, gelingt auch das sorgsam ausgewählte Programm auf einem hohen künstlerischen Level. Edward Elgars Cellokonzert dient dabei als Podium für eine Dozentin des Hauses, die „Vierte“ von Brahms als praktische Orchestererfahrung für die jungen Musiker. Beides sind hochromantische Alterswerke, die durch die gemeinsame Tonart e-Moll ebenso verbunden sind wie durch ihren eher melancholischen Charakter.

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Zunächst steht die fantastische Cellosolistin Beatriz Blanco im Mittelpunkt. Die u. a. bei Clemens Hagen ausgebildete Spanierin kam vor vier Jahren ans Haus, gewann zuvor zahlreiche Wettbewerbe und trat als Solistin mit renommierten Orchestern auf. Das halbstündige Cellokonzert von Elgar, ein Standardwerk der Gattung, begleitet sie seit Kindertagen. Sie spielt es komplett auswendig, mit größter Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit. Dabei ist das Werk natürlich kein Honiglecken, es verlangt Virtuosität, die große Geste am Instrument und eine gute Abstimmung mit dem Dirigenten und den jungen Musikern in einem steten Geben und Nehmen. All dies ist in hohem Maße vorhanden und macht das Zuhören zum spannenden Vergnügen. Umso mehr, als die Solistin ihre kostbare Cello-Leihgabe von C. Pierray, Baujahr Paris 1720, auch in allen Lagen aufleuchten lässt, oft in flüsternder Zurückhaltung, dann wieder zupackend wild wie ein britischer Sturmwind. Ein solcher entlädt sich nach den letzten Cellotönen auch als Jubelschrei des Publikums, wie ihn das Haus wohl selten erlebt hat. Sogar die Zugabe ist speziell, bei der Havanaise von Ravel wird Beatriz Blanco ohne Dirigent von den Cellisten ihrer Klasse begleitet. Warum das so authentisch klingt, verrät ein Blick ins Programmheft, wo die Hälfte der sechs jungen Musiker mit spanischen Namen angeführt sind.

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Aber auch sämtliche Orchestermitglieder sind dort namentlich genannt, von der Konzertmeisterin Kristi Pleshti bis zum Triangel-Schläger Arwed Kern. Ein geschickter Schachzug, um jeden einzelnen Mitwirkenden in die Verantwortung für das Gelingen des großen Ganzen mit einzubeziehen, diesem Abenteuer, das die 45-minütige, mächtig heranrollende Symphonie Nr. 4 von Johannes Brahms für diese Truppe zweifellos darstellt. Benjamin Lack, dessen jahrelanger Arbeit letztlich dieses exzellente Orchesterniveau zu danken ist, verlangt von den jungen Damen und Herren an den respektabel besetzten Pulten mit Bedacht jedes Jahr noch ein bisschen mehr, ohne sie dabei zu überfordern. So ist die herrschende Konzentration bei diesem Konzertsaalknüller fast körperlich bis in den Zuschauerraum spürbar, wenn auch nicht verschwiegen werden soll, dass es da und dort zu kleinen Unebenheiten kommt, die aber nicht weiter ins Gewicht fallen. Da fehlt eben noch die Abgebrühtheit langjähriger Profimusiker, oder das Premierenfieber hat einen Streich gespielt. Lack sorgt auch dafür, dass sich im melodiösen Andante so viel Spannung aufbaut, dass es zum Kernsatz wird. Nach dem turbulenten Scherzo reichen die Kräfte noch für die archaische Passacaglia im Schlusssatz, die in ihrer Präzision und Präsenz beeindruckt. Und wieder gibt es einen Sturmwind der Begeisterung.  Fritz Jurmann

Mittagskonzert der Celloklasse Mathias Johansen: 8. März, 12.15 Uhr, Montforthaus Feldkirch