Düstere Szenen werden lebendig

Die Britische Akram Khan Company beeindruckte beim Bregenzer Frühling.
Bregenz Ein 2011 entdecktes Fragment einer zerbrochenen Tontafel des babylonischen Gilgamesch-Epos war für den britisch-bengalischen Choreografen Akram Khan der Ausgangspunkt für seine ebenso poetische wie verstörende Choreografie „Outwitting the Devil“ (“Den Teufel überlisten”), mit der seine Company am vergangenen Wochenende im Rahmen des Bregenzer Frühlings im vollen Festspielhaus gastierte.
Aus tiefem Dunkel steigt eine tonlose Stimme, versponnen in den Traum, der bald Gestalt annimmt. Zwei Gestalten kauern im Dämmerlicht, im Lichtkegel erscheinen mehr Gestalten, suchend, schwer atmend, in extrem verlangsamten Bewegungen gehen sie aufeinander zu. Die Stimme spricht von weit entfernten Tagen, von alten Nächten. Man muss nicht verstehen, was vor sich geht und wird doch hineingezogen in die fremde, ferne, archaische Welt, die die zwei Tänzerinnen und vier Tänzer evozieren. Die Musik zeichnet das Drama nach, das sich im Halbdunkel vollzieht, ist bald grauenvoll schmerzhaft, bald ruhig, trostvoll.

Ein alter Mann greift verlangend ins Bild, geistert durch die Szene, richtet sich auf, steht seinem jungen Ego gegenüber, das erlebt, was der Alte träumt. Akram Khan hat seinen Helden Gilgamesch verdoppelt, mit dem Wissen des Alten eine Episode des Epos erzählt.
Umgeben von den Trümmern der Geschichte trifft der junge, kraftstrotzende Gilgamesch auf den Naturmenschen Enkidu: geschmeidig, halb Tier, halb Mensch, sind dessen elementare Bewegungen. Zu archaischen Klängen „zähmt“ Gilgamesch den Wilden in einem Kampf, in dem er den anderen nicht verletzen, sondern gewinnen will.
Mit gleicher Intensität, aber mit tödlicher Gewalt bezwingen die beiden darauf den bärenstarken Humbaba, den Wächter des Zedernwaldes. Das Bild friert ein, schweres Atmen steht im Raum. Die Natur und die Göttin, die beiden Frauengestalten im Ballett, kriechen am Boden, eine grässliche Tonkulisse begleitet ihre Rache und den Fluch der Göttin. Enkidu muss sterben, Gilgamesch eine Läuterung erfahren. Die Toten zerren am Alten, schwer trägt der Junge an der ihm auferlegten Last.
Da besänftigt sich die Erinnerung, ein Lichtstreif zieht sich über die Bühne, der Schmerz ist ausgestanden, Wellen laufen auf Gilgamesch zu, tragen ihn fort, das alte Ego stirbt. Sanft und zeremoniell tanzt die Göttin, Rauchopfer steigen auf. Stille, ehe der lange, intensive Beifall einsetzt. Christel Voith
Das Programm des Bregenzer Frühlings, der noch bis zum 18. Mai läuft, gibt es unter: www.bregenzerfruehling.at, Tickets: Stadtmarketing, www.events-vorarlberg.at