Künstlerin bearbeitet das große Thema Zeit

Galerie Lisi Hämmerle zeigt Objekte und Installationen von Elsbeth Gisinger-Fessler.
BREGENZ Mit einem wahrhaft großen, uns alle betreffenden Thema hat sich die Objekt- und Installationskünstlerin Elsbeth Gisinger-Fessler in ihrer jüngsten Werkreihe angelegt. Derzeit in der Galerie Lisi Hämmerle zu sehen, dreht sie sich um keinen geringeren Betreff als die Zeit, um ihr unablässiges, unbarmherziges Verstreichen, den Versuch, sie festzuhalten, Halt in der Beschleunigung zu finden oder die Erkenntnis, dass die Gegenwart im Moment der Wahrnehmung schon wieder der Vergangenheit angehört.

Der Einstieg ins Thema Zeit erfolgt für die Besucher mittels einer beim Eingang lauernden Stechuhr mit Karten zum Einstempeln ebenso humorvoll-ironisch wie mit Hintergedanken. Wie viel von meiner kostbaren Zeit habe ich mitgebracht? Stehe ich jetzt unter Zeitdruck? „Zeit hat in den vergangenen zwei Jahren durch die Pandemie und die Lockdowns eine andere Qualität bekommen, die Zeitdehnung ist anders spürbar geworden“, sagt Elsbeth Gisinger-Fessler (geboren 1958), für die der von Paul Virilio geprägte Begriff des rasenden Stillstands ein sehr einprägsames Bild für unsere Epoche bildet. Für ihren Ausstellungstitel „… und wär’s ein Augenblick“ hat sich die Künstlerin, die am Salzburger Mozarteum studiert hat, jedoch mit dem Teil eines Goethe-Zitats bei einem früheren Denker bedient. Tatsächlich hat sie sich aus den umfassenden Aspekten rund um die Zeit jene ganz besondere „Einheit“ des Augenblicks ausgesucht. Die Spanne zwischen zwei Lidschlägen wäre zwar objektiv mit einer Uhr zu messen, doch Neurologen, die sich mit der Dauer eines Augenblicks befasst haben, stellten fest, dass dieser Moment überall auf der Welt rund drei Sekunden lang ist. Dieser dreisekundigen Verweildauer, in der sich vielleicht ein Werk im Kopf manifestiert, hat Elsbeth Gisinger Fessler ihre Aufmerksamkeit geschenkt und sie den Arbeiten in Titeln wie „10:30:54 – 10:30:57“ zugeordnet.
Materialwiderstand
Überflüssig zu erwähnen, dass die eigentliche Entstehung eines Objekts natürlich viel, viel länger dauert und die drei Sekunden nicht isoliert für sich stehen, sondern Teil des Zeitkontinuums sind. Auf der Basis von Polyurethan, einem weichen Schaumstoff, baut die Künstlerin, die eigentlich von der Malerei kommt, sich aber in den vergangenen Jahren vor allem mit Objekten und Installationen auseinandersetzt, ihre Arbeiten in vielen Schritten auf. Geformt, respektive gegen den Materialwiderstand „gezähmt“, mit Kunstharz gefestigt und mit Fiberglas verstärkt, bildet ein Überzug aus Autolack in Pastelltönen eine fast unzerstörbare Oberfläche. Dennoch ist den Objekten eine große Leichtigkeit eigen, die sie in ihren Eisenhalterungen fast schweben lässt. Diese metallenen Halterungen, die auch gebrauchte Zangen sein können, sind unabdingbarer Teil der Werke und des Dialogs zwischen den beiden Elementen.

Neben dieser geschlossen wirkenden Werkreihe und einer sehr nachdenklich stimmenden Installation zum Thema Frauenmorde in Österreich, die die Zahl der Verbrechen eindrücklich klar macht, ergänzen einige Arrangements, die Zeit wieder anders erlebbar machen, die Ausstellung. Dazu gehören ein Krawattenregal und als ironisches Pendant dazu der geklöppelte „Schal der Suffragette“, Reisewecker aus vergangenen Jahrzehnten oder ein biedermeierlich anmutendes Miniaturinterieur. Am Ende der Ausstellung steht man mit der Stechkarte, quasi als Beweis der Zeit, in den Händen da und wird sich der Hilflosigkeit des Versuchs, die Zeit festzuhalten, noch bewusster. Ariane Grabher
Die Ausstellung ist in der Galerie Lisi Hämmerle, Anton-Schneider-Straße 4a, Bregenz, bis zum 6. Mai geöffnet, Mi bis Sa von 15 bis 19 Uhr sowie nach Vereinbarung unter 0664 5288239.