Ein Großmeister der Aktionskunst, der polarisierte

Kultur / 19.04.2022 • 18:11 Uhr
Hermann Nitsch sorgte mit seinen Kunstaktionen für Aufsehen.
Hermann Nitsch sorgte mit seinen Kunstaktionen für Aufsehen.

Mit Hermann Nitsch ist einer der bekanntesten Gegenwartskünstler Österreichs gestorben.

Wien  Die Kunstwelt verliert mit Hermann Nitsch einen ihrer prominentesten Vertreter.  Der Maler, Aktionskünstler und Komponist Hermann Nitsch starb am Montag im Alter von 83 Jahren. Mit seinen Schüttbildern und archaischen Ritualen unter Verwendung von Tierblut und -kadavern polarisierte er wie nur wenige. Und doch stieg er damit vom Provokateur zum arrivierten Großkünstler mit eigenen Museen und Engagement in Bayreuth auf. 1938 in Wien geboren, besuchte er die Grafische Lehr- und Versuchsanstalt. Bereits seine ersten Arbeiten zeugten vom Interesse an religiösen Themen, mit denen er sich Zeit seines Lebens beschäftigte. Der Mitbegründer des Wiener Aktionismus entwickelte eine eigenständige Kunstpraxis, das Orgien Mysterien Theater, bei dem er Text, Musik, Malerei und Performance verknüpfte. Höhepunkt war das 1998 auf Schloss Prinzendorf umgesetzte 6-Tage-Spiel. Das Schloss wurde zum wichtigsten Wohn- und Schaffensort des Künstlers. Nun wird Prinzendorf auch zur letzten Ruhestätte des Künstlers, im Schlossgarten soll er seinem Wunsch gemäß beigesetzt werden. Im 2007 eröffneten „Hermann Nitsch Museum“ in Mistelbach, wo der Künstler in wechselnden Ausstellungen umfassend gewürdigt wird, ist später die Aufführung eines Requiems geplant.

Dabei ist Mistelbach nicht der einzige Standort eines Nitsch-Museums, wurde doch 2008 mit dem Museo Nitsch in Neapel ein weiteres dem Künstler gewidmetes Haus eröffnet. Und neben der Kunstwelt im engeren Sinne war Nitsch auch der Oper eng verbunden, gestaltete er doch etwa 1995 an der Wiener Staatsoper Massenets „Hérodiade“ und 2001 Philip Glass‘ „Satyagraha“ in St. Pölten mit. Auch in Zürich (Schumanns „Szenen aus Goethes Faust“ 2007) oder an der Bayerischen Staatsoper in München (Messiaens „Saint François d‘Assise“ 2011) war er als Gestalter zu erleben. 2021 erfüllte sich mit einem Engagement bei den Bayreuther Festspielen ein Lebenstraum, als er eine halbszenische „Walküre“ mit einer gigantischen Malaktion in ein Farbereignis verwandelte. Dass es dabei auch Unmutsäußerungen gab, irritierte den längst zum unangreifbaren Kunststar aufgestiegenen Nitsch nicht.

Ausstellungen in Vorarlberg

In Vorarlberg war Nitsch zuletzt etwa mit Werken in der Galerie AllerArt in Bludenz vertreten. 2019 feierte die MAP Kellergalerie montartphon in Schruns ihr 20-jähriges Bestehen mit einer Nitsch-Schau, die in Zusammenarbeit mit der Druckwerkstatt von Markus Gell in Rankweil entstanden ist. Die Kunsthalle Arlberg1800 widmete dem weltberühmten Künstler 2015 die Werkschau „Unter den Bergen“, die anhand von grafischen und malerischen Arbeiten aus 40 Schaffensjahren einen fast musealen Einblick in sein Lebens- und Gesamtkunstwerk gab.

Politiker vom Bundespräsidenten abwärts würdigten Nitsch am Dienstag: „Mit ausdrucksstarken Bildern und Aufsehen erregenden Aktionen hat er die heimische Kunstwelt neu definiert. (..) Sein Werk wird weiterleben, dessen bin ich mir gewiss“, betonte etwa Bundespräsident Alexander Van der Bellen. „Er war eine herausragende Persönlichkeit, ein großartiger Botschafter der Kunst, aber vor allem ein sensibler und ganz feinsinniger Mensch“, formulierte es Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne).

Der Maler mit dem weißen Rauschebart wollte den Menschen stets intensive Erlebnisse für alle Sinne bieten. apa
Der Maler mit dem weißen Rauschebart wollte den Menschen stets intensive Erlebnisse für alle Sinne bieten. apa