Grüblerischer Commissario in eleganter Prosa
Roman Wer Krimis mit Knalleffekten sucht, ist bei Donna Leon schon immer an der falschen Adresse gewesen. Sie schaut lieber in die Seele der Menschen. Im 31. Fall der in Venedig spielenden Brunetti-Reihe ist es der Commissario persönlich, der einen Seelenstriptease hinlegt. So grüblerisch wie in „Milde Gaben“ ist Brunetti selten dahergekommen. Als kleiner Bub lebte er einmal in der Wohnung einer gütigen Vermietern. Nun bittet diese den Kommissar, herauszufinden, ob ihr Schwiegersohn in krumme Sachen verwickelt ist.
Erinnerungen an Brunettis arme Kindheit ziehen sich durch das Buch, ebenso wie der Kontrast zur reichen Familie seiner Frau Paola. „Seit den ersten Tagen mit Paola, als er noch ein Straßenköter war, der hechelnd an Paolas Fersen hing, hatte Brunetti die Eleganz im Verhalten ihrer Familie bewundert.“ Brunetti deckt jedenfalls Abgründe auf: vermeintlich edle Spender, Freunde, die Freunde verraten. Die elegante Prosa, die literarischen Einwürfe – dieses Mal griechische Klassik -, da bleibt sich Donna Leon treu.
“Milde Gaben. Brunettis 31. Fall”, Donna Leon, Diogenes, 352 Seiten.