Tolle Hits und brauchbare Denkanstöße

Kultur / 29.05.2022 • 19:44 Uhr
Den grauen Star überwinden: Petra Hämmerle und Markus Vögel.
Den grauen Star überwinden: Petra Hämmerle und Markus Vögel.

Theatergruppe bietet witzig-geistreiche Konfrontation von Generationen und Lebensentwürfen.

Fußach „Veränderungen sind das, was man sich neu denkt“, heißt es einmal in der Komödie „Wir sind die Neuen“ von Ralf Westhoff. Wer sich heute der Pensionsberechtigung nähert, hat wahrscheinlich eine Studenten- bzw. Ausbildungszeit erlebt, die von einer gesellschaftlichen Aufbruchsstimmung geprägt war. Auch dann, wenn man es etwas ruhiger angehen ließ, wie Anna, Johannes und Edi, die – sagen wir einmal – nicht nur den Uni-Abschluss vor Augen hatten, als sie vor über 30 Jahren in einer WG lebten, die Vorlesungen gerne einmal für eine Demo sausen ließen und ihre Studierzimmer oft zur Partylocation umfunktionierten.

Diesen Geist will Anna wieder aufleben lassen, als sie bei den ehemaligen Kommilitonen anfragt, ob sie sich nicht vorstellen könnten, wieder zusammenzuziehen. Der zweite Grund führt uns die Folgen des Turbokapitalismus vor Augen, denn etwas geräumigere Wohnungen sind mittlerweile so teuer, dass sie mit den Einkommensverhältnissen einer Biologin, die viele ihrer Ressourcen für den Kampf für die Umwelt verbrauchte, nicht mehr kompatibel sind. Johannes hat auch nichts auf der Kante, weil er sich als Anwalt oft für Mittellose einsetzte, und Edi hat eine ungute Arztdiagnose zu bewältigen, weshalb ihm freundschaftliche Nähe nur recht ist. Die WG-Idee wird also verwirklicht.

Filmkomödie

Der Kern des Bühnenstücks, eine Adaptierung des gleichnamigen Films, der 2014 unter anderem mit Gisela Schneeberger, Heiner Lauterbach und Michael Wittenborn in die Kinos kam, ergibt sich aus der Konfrontation dieser Menschen, die in den späten Fünzigern oder frühen Sechzigern noch bereit sind, ihr Leben neu zu ordnen, mit drei in der oberen Wohnung lebenden Studenten, denen der Erfolgsdruck jegliche Reflexionsmöglichkeit raubt. Man will das Diplom, sonst nichts.

Der Weg bis zur Auseinandersetzung über Lebensentwürfe oder den Wert von Empathie ist freilich mit einigen Klischees gepflastert, der Dialogwitz wie der Charme, der über der Handlung liegt, ergeben jedoch einen wunderbar humorvollen wie geistreichen, mit vielen brauchbaren Denkanstößen aufgeladenen Theaterabend, den das Premierenpublikum nun in Fußach begeistert feierte.

Plausible Einraumlösung

Die Hürden sind groß, denn die Szenenwechsel sind zahlreich. Es braucht eine extrem genaue Regiearbeit des bekannten Profis Augustin Jagg, der die Einraumlösung, die er mit den Bühnenbildnern Paolo David und Karlheinz Schmid plausibel macht und die vielen Gags bei Beibehaltung der Dialektfärbung ebenso wirken lässt wie die ernsten Momente. Mit Petra Hämmerle, Markus Vögel und André Röck hat er geschulte, temperamentvolle Akteure, die kaum noch der Amateurszene zuzuordnen sind und Lisa Blum, Gabriela Blum sowie Lucas Vögel verdeutlichen, dass es in der Theatergruppe Fußach auch nach der langen, pandemiebedingten Durststrecke mit Aufführungs- und Probenverboten noch einen motivierten Nachwuchs mit Bühnenpräsenz gibt. Albert Lässer, Jürgen De Costa und Edith Maier haben gute Kurzauftritte, und dass die Auswahl der vielen tollen Hits den Zeitsprung nicht klar eingrenzen lässt (war das nun vor 30, 40 oder gar 50 Jahren?) ist völlig nebensächlich, denn auch die schon seit Jahrzehnten tätige Rezensentin darf festhalten: Hallo Youngsters, wir waren einst nicht so gestylt und tippten nicht in glänzende iPhones, aber, sorry, wir hatten damals die weitaus geilere Musik.

Theatergruppe Fußach ist nach der Pandemiepause mit „Wir sind die Neuen“ wieder zurück auf der Bühne. vn/cd
Theatergruppe Fußach ist nach der Pandemiepause mit „Wir sind die Neuen“ wieder zurück auf der Bühne. vn/cd

Weitere Aufführungen vom 3. bis 18. Juni in der Mehrzweckhalle in Fußach: www.theatergruppefussach.at