Im Kunstraum Dornbirn wird der Stahl müde

Monika Sosnowskas Skulpturen im Dialog mit der Architektur.
Dornbirn Materialermüdung ist im Allgemeinen ein schleichender Prozess und durchaus kein erstrebenswerter Zustand. Dass Stahl aber auch formvollendet und unter entsprechender Krafteinwirkung müde gemacht werden kann, beweist die polnische Bildhauerin Monika Sosnowska in ihren monumental-raumgreifenden skulpturalen Arbeiten.
Der Kunstraum zeigt unter dem schönen Titel „Fatigue“, was Müdigkeit oder Erschöpfung meint, eine schwarzweiße Auswahl von vier Werken, die die Grenzen zwischen Architektur und zeitgenössischer Kunst ausloten und durchlässig machen.

Die Montagehalle erweist sich dafür einmal mehr als der perfekte Ort. Bildete sie in der vorangegangenen Ausstellung die düstere Kulisse für das postapokalyptische Setting von Landsmann Robert Kuśmirowski, so lebt die aktuelle Ausstellung von Monika Sosnowska von reduzierter Klarheit und dem Licht, das durch die hohen Fenster in den Raum fällt. Das Aufeinanderfolgen zweier so unterschiedlicher künstlerische Ansätze, zeigt das Spektrum und die Vitalität der zeitgenössischen polnischen Kunstszene auf, innerhalb der sich beide, der gleichen Künstlergeneration angehörig und den Wandel des politischen Systems in ihrem Heimatland und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft miterlebt habend, bewegen. Von der Regel, dass die Montagehalle immer dann zu Höchstform aufläuft, wenn künstlerische Produktionen speziell für den Ort entstehen, macht die Schau von Monika Sosnowska eine respektable Ausnahme. Ihre Arbeiten scheinen wie für den Ort gemacht, gehen eine stimmige Verbindung und einen beredten Dialog mit der Halle ein und bieten unzählige Andockpunkte auf technischer, historischer oder psychologischer Ebene.

Die Bildhauerin erweist sich als wache Beobachterin ihres und unseres Lebensraumes, des Wandels in den Städten, begibt sich gern auf Reisen und thematisiert gesellschaftliches Zusammenleben durch den Gebrauch von architektonischen Elementen und Bauteilen. So erinnert „Facade“, das Hauptwerk der Schau, an ein verlorenes Haus in Warschau, das in den 1960ern die legendäre Kunstgalerie Foksal beherbergte und 2011 umgestaltet wurde. Sosnowska lässt die markante Stahlfassade 1:1 von Handwerkern nachbauen und die 8×10 Meter große Replik in einem dreimonatigen Prozess durch Maschineneinsatz und Zerren und Falten verbiegen. Nun hängt die tonnenschwere Arbeit von der Kunstraum-Decke, als hätte jemand mit spitzen Fingern eine Stoffserviette an einem Zipfel hochgehoben und suggeriert irritierende Leichtigkeit.
Ähnlich elegant, Masse und Gewicht konterkarierend, schlängelt sich „Pipe“, ein weißes, aufgeschnittenes, aufgerolltes Abwasserrohr, durch den Raum, während ein Bündel von 16 mm starken Bewehrungsstäben wie ein Pferdeschwanz aus der Wand kommt und ein T-Träger zum L gebogen wird. Sosnowskas Arbeiten machen sichtbar, entfunktionalisieren und holen in den Innenraum, was normaler Außen oder in der Architektur selbst, in den Wänden, verborgen ist und dort für Stabilität sorgt. Es sind Transformationsprozesse wie diese, an denen sich die Künstlerin abarbeitet. Über ihre Arbeit spricht Monika Sosnowska nicht, sie will für den Betrachter alles möglichst offenlassen und verleiht Materialschwerem schwerelos die tänzerische Leichtigkeit von Zirkusartisten.
Die Ausstellung ist Kunstraum Dornbirn, Jahngasse 9, Dornbirn, bis zum 30. Oktober geöffnet, täglich von 10 bis 18 Uhr.