Ein Debüt, das anständig Wirbel macht

Kultur / 08.07.2022 • 17:37 Uhr

Manchmal muss man seine Familie ausrotten, manchmal reicht ein Glas guter Wein, wie das Leben halt so spielt …

Romane Bella Mackies „How to kill your Family“ klingt im ersten Moment etwas skandalös, ist es aber nicht. Grace wurde in den 90ern geboren, als Produkt einer Schwärmerei zwischen Marie und Simon. Es kam eigentlich nie zu einer Beziehung, weil die Mutter, eine bildhübsche Französin, der aristokratischen Familie des Kindsvaters zu wenig blaublütig war. Dann ging es Schlag auf Schlag. Die kleine Familie konnte in London nie wirklich Fuß fassen, so ging es mit ihnen sukzessive abwärts. Marie starb an Krebs und so wuchs Grace bei der besten Freundin ihrer Mutter auf. Eines Tages findet sie den Briefverkehr zwischen ihren Eltern, der ihr klar macht, wie sehr die etablierte Londoner Familie ihre Mutter im Stich gelassen hat. Seit diesem Moment heckt Grace nun einen Plan aus, wie sie ihre ihr nicht bekannte Stammfamilie Stück für Stück beseitigen kann.

Verrückt, britisch, authentisch

Eine delikate Angelegenheit, reagieren die Leser auf das Ausradieren einer Familie eben nicht immer mit großem Verständnis. Gut, dass Bella Mackie schon auf den ersten Seiten mit den Motiven beginnt und so den Leser gut auf die Reise mitnimmt. Es liest sich ganz gut, kleine Unstimmigkeiten werden beim Debüt jetzt nicht auf die Waagschale gelegt. Die Morde haben etwas von einer Computerspiel-Dramaturgie, man begleitet Grace durch ihre Schlacht und hofft, dass sie nicht draufgeht.

Die oberflächliche Kritik vergleicht Bella Mackies „How to kill your Family“ nun mit „An American Psycho“, das geniale Werk von Bret Easton Ellis. Ist insofern falsch, weil Grace keine psychopathischen Züge wie Patrick Bateman hat und Bret Easton Ellis auch literarisch in einer Klasse für sich spielt. In seiner gesamten Gesellschaftskritik hat „How to kill your Family“ etwas sehr Britisches. Etwa im Stil von „Lieber Osama …“ gehalten, der hochgelobte, fiktive Roman von Chris Cleave, in dem Osama bin Laden ganz London in Schutt und Asche legt.

Bella Mackie ist ein bisschen geschwätzig, jedoch vorwiegend bissig, britisch, leicht verrückt, und das ist schon viel wert.

Das Buch zum Wein

Carsten Henn ist ein deutscher Vielschreiber. Mit dem vierten „hochprozentigen“ Roman in Folge, knackigen Inhalten inklusive Wissenswertes über Rum oder Gin, kümmert der Schrifsteller sich um den deutschen Wein. In „Der Mann, der auf einen Hügel stieg und von einem Weinberg herunterkam“ weiß Carsten Henn viel Gutes von den wunderbaren Weingütern an der Mosel oder an der Ahr zu berichten.

Auch hier ist eine Geschichte mit im Spiel: Es fanden sich drei Freunde zusammen, die sich einen Weinberg kauften. Alle drei sind leidenschaftliche Genießer mit Background, aber anstatt dass sie frenetische Amateurwinzer wurden, hatten sie sich leider verkracht und nie einen passablen Tropfen in die Flasche gebracht. Klingt nach einer französischen Komödie mit Potentzial, und schon tauchen in einem die Bilder zur Geschichte auf.

Henn lässt die Story jedoch gezielt im Hintergrund und wandert durch deutsche Weingärten, um zu begreifen, warum ihr Weinberg nicht funktionierte. So sind es viele kleine Geschichten, die so ein Ganzes ergeben. Verrückte, besessene und leidenschaftliche Winzerinnen und Winzer kommen hier zu Wort und machen so den deutschen Wein nicht nur zu einer runden Sache, sondern lassen auch charaktervolle Landschaften im Kopf der Leser entstehen.