Kaiserin Sisi kämpft sich aus ihrem Korsett

Kultur / 13.07.2022 • 17:22 Uhr

Marie Kreutzer schafft eine moderne Deutung der Elisabeth-Figur.

Drama Nicht noch ein Sisi-Film! Das dürfte der Erstimpuls vieler sein, die von Marie Kreutzers Spielfilm „Corsage“ hören, der nach der Weltpremiere in Cannes aktuell in den Kinos läuft. Doch keine voreiligen Schlüsse. Der österreichischen Regisseurin gelingt ein unkonventioneller Blick auf eine Frau in der Midlife-Crisis, erzählt in großen Bildern, mit bewusst gesetzten Interventionen und getragen vom Luxemburger Shootingstar Vicky Krieps. Die 38-Jährige wurde dafür zu Recht in Cannes mit dem Preis als beste Darstellerin in der Sektion „Un Certain Regard“ geehrt. Schließlich dominiert sie als Protagonistin die kurze Episode im Leben der Habsburger Monarchin zwischen Weihnachten 1877 und 1878, die das Fundament der Erzählung über einen Menschen in der Krise darstellt. Elisabeth ist eine Frau, die sich befreit und im Kern vielleicht erst hier wirklich erwachsen wird. Ausgangspunkt ist der 40. Geburtstag der Kaiserin von Österreich, die sich nach wie vor strikt an ihren Trainings- und Diätplan hält, um dem Bild der ewig jungen und schönen Monarchin an der Seite ihres Mannes Kaiser Franz Joseph zu entsprechen.

Tiefe Risse

Und doch hat diese Fassade schon tiefe Risse bekommen, was sich an den schnippischen Bemerkungen der Hofschranzen und der Presse zeigt. Doch in Sisi wächst der Widerstand, die Renitenz. Sie will aus dem Korsett der ihr zugedachten Rolle, die sich allmorgendlich im Einschnüren manifestiert, ausbrechen. Dies und die bewusst im Sisi-Veilchenblau gehaltenen Credits könnten den Eindruck vermitteln, Marie Kreutzer habe sich auf Viscontis Spuren begeben. Doch die 44-jährige Filmemacherin, die auch wieder für das Drehbuch ihres neuen, bisher budgetär bei Weitem größten Werks verantwortlich zeichnet, spielt genau mit diesen Erwartungshaltungen – um sie nicht radikal, aber doch subtil zu brechen.

Korsett gesprengt

So setzt „Corsage“ von Beginn an kleine Irritationen, die sich anfangs noch auf nerdiger Ebene bewegen, wenn man sich als Zuschauer etwa die Frage stellt, weshalb das Maria-Theresia-Denkmal so ostentativ zu Beginn einer Sequenz gezeigt wird, obgleich die Anlage zur Zeit des Spielfilm noch längst nicht geplant war. Doch nicht lange, und die Irritationen stellten sich alsbald als bewusst gesetzte Interventionen der Filmemacherin heraus, um das Korsett des Historienfilms, das sie sich selbst auferlegt hat, zu sprengen.

Corsage

Regie Marie Kreutzer

Darsteller Vicky Krieps, Florian Teichtmeister, Katharina Lorenz, Jeanne
Werner, Manuel Rubey

Start aktuell im Kino