Vom Aufstehen gegen Ungerechtigkeit

Von einem Sohn dieses Landes
James Baldwin, aus dem amerikanischen Englisch von Miriam Mandelkow, dtv Verlag, 240 Seiten
“Notes Of A Native Son” liegt erstmals in Deutsch komplett vor.
Essays Der 1924 in Harlem geborene und 1987 in der Wahlheimat Frankreich gestorbene James Baldwin war einer der bedeutendsten US-Autoren und wurde jüngst, nicht zuletzt im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung, wiederentdeckt. Baldwin, homosexuell und schwarz, setzte sich ein Leben lang mit den Themen Rassismus, Hass, Vorurteile und den möglichen Wegen aus dem Dilemma auseinander.
Wohlüberlegte Übertragung
Das nun erschienene “Von einem Sohn dieses Landes” bietet dazu kluge Essays und Autobiografisches. “Notes Of A Native Son” von 1955 liegt damit erstmals in Deutsch komplett vor, noch dazu in wohlüberlegter Übertragung der Texte aus dem Amerikanischen durch Miriam Mandelkow, die sich – wie im Nachwort hingewiesen und erklärt – intensiv mit der Problematik der Übersetzung von Worten wie “Negro” oder “Race” auseinandergesetzt hat. Beispiel: “‘Negro’ erzählt die Geschichte Amerikas. Das Wort ist aufgeladen mit der Erfahrung von Versklavung, Diskriminierung und Gewalt, zugleich mit Widerständigkeit und Stolz und, immens wichtig in Baldwins Gesellschaftsanalysen, mit amerikanischer Identität. Dafür gibt es im Deutschen kein Wort.”
Neueinsteiger, die noch keinen der aufwühlenden Romane Baldwins gelesen haben (etwa “Beale Street Blues” oder “Ein anderes Land”, beide ebenfalls dank Miriam Mandelkow so intensiv wie im Original), sollten bei “Von einem Sohn dieses Landes” vielleicht zuerst das gleichnamige Kapitel aufschlagen. Darin erzählt Baldwin von seinem Vater und seiner schwierigen Beziehung zu diesem, von Hass und Verzweiflung, die sich daraus ergeben haben. Die Gedanken führen zu einer tiefsinnigen Analyse von Hass im Allgemeinen und dem Aufstehen gegen Ungerechtigkeit – “der Kampf beginnt allerdings im Herzen”.
Keine leichte Kost
Im Band enthalten sind auch Film- und Buchanalysen sowie ein Diskurs über die “Progressive Party”. Diese stilistisch bewundernswerten Beiträge sind keine leichte Kost – weder sprachlich noch inhaltlich, letzteres weil die darin erwähnten Personen, Parteien, Filme und Bücher zum Teil heute in Vergessenheit geraten sind. Man müsste schon Nachlesen und -schauen, um Baldwins Auseinandersetzung mit dem Stoff komplett nachvollziehen zu können. Aber auch hier gilt: Baldwins Blick auf die Gesellschaft ist lehrreich und mehrdimensional.