„Viel, was man mit nach Hause nehmen kann“

Kultur / 12.08.2022 • 19:00 Uhr
„Armida“ von Joseph Haydn ist die siebte Produktion im Opernstudio der Bregenzer Festspiele. VN/Paulitsch
„Armida“ von Joseph Haydn ist die siebte Produktion im Opernstudio der Bregenzer Festspiele. VN/Paulitsch

Regisseur Jörg Lichtenstein und Sopranistin Nicole Wacker sprechen über „Armida“ bei den Festspielen.

Bregenz Es ist ihr ein großes Anliegen, die Rolle der Armida so zu gestalten, dass man sie nicht als Furie wahrnimmt, erklärt Nicole Wacker. Die Sopranistin aus Zürich, die mittlerweile unter anderem an der Accademia Teatro alla Scala in Mailand Rollen übernimmt, ist erstmals in einer Opernstudio-Produktion der Bregenzer Festspiele engagiert und spricht von einer herausfordernden Partie, die sie unbedingt bewältigen wollte.

„Ich liebe die Figur, sie nimmt gegensätzliche Emotionen in sich auf, sie hat sehr viel Macht, ist aber auch verletzbar und empfindsam. Es geht mir auch darum, zu zeigen, dass sie als Mensch wirklich liebt und dass sie nicht darauf abzielt, jemanden zu manipulieren.“ Als Sopranistin hat Nicole Wacker ein großes Spektrum abzudecken: „Die Partie fängt mit vielen Koloraturen an und nimmt an Stimmgewicht zu. Man muss das sehr gut austarieren, damit das alles unter einen Bogen passt.“

Damit sagt die Künstlerin auch schon sehr viel zum Inhalt der 1784 uraufgeführten Oper „Armida“ von Joseph Haydn. Die mit Zauberkräften ausgestattete Nichte des Königs von Damaskus verliebt sich in einen der Kreuzritter. Der Konflikt ist vorprogrammiert. Strategisch sind sie Gegner, Rinaldo wankt zwischen Liebe und Pflicht. Um das Christianisierungsthema zu umgehen, griff Regisseur Jörg Lichtenstein zum Fantasy-Genre. „Wir finden einen Einstieg aus unserer Gegenwart in eine von Armida geschaffene historisierende Zauberwelt. Sie bedient sich historischer Zitate, es sind immer nur Elemente aus verschiedenen Epochen, die benutzt werden. Die Gleichstellung von Barbarei mit heidnischen Kulturen spielt schon bei Haydn eine kleinere Rolle und bei uns hoffentlich eine verschwindende.“

Besonderes Finale

Die Reaktionen von Rinaldo habe er oft auch als lächerlich empfunden. Angesichts der gegenwärtigen Situation ist das Hin und Her des Ritters für ihn aber nicht absurd. „Auch ich weiß nicht genau, wohin ich mit meiner pazifistischen Überzeugung soll, wenn ich in die Ukraine schaue.“ Er habe weniger das Bedürfnis, Rinaldos Albernheit auszustellen, als das unlösbare Dilemma zu zeigen. Armida und Rinaldo kommen bekanntermaßen nicht zusammen. „Aber sie trennen sich auch nicht“, bemerkt Lichtenstein: „Es ist ein unglaublich unübliches Opernfinale. Es gibt sehr viel, was man mit nach Hause nehmen und weiter mit sich herumtragen kann.“

Behutsame Striche hat er sich gemeinsam mit dem Dirigenten Jonathan Brandani erlaubt und um die Thematik zu vertiefen, will man die Tatsache, dass sich Zelmira auch in einen Ritter verknallt, so weit betonen, wie es die Musik irgendwie zulässt.

„Armida“ ist die siebte Produktion im Bregenzer Opernstudio. Jörg Lichtenstein hat hier bereits Mozarts „Cosi fan tutte“ und „Le nozze di Figaro“ inszeniert. Viele der einstigen Mitwirkenden haben beeindruckende Karrierewege beschritten. Nicole Wacker, die gespürt hat, dass die Partie der Armida gut zu ihrer Stimme passt, sieht beim Blick in die Zukunft „sehr viele Mozartpartien“. Etwa die Donna Anna oder die Konstanze und später die Vitellia. CD

Regisseur Jörg Lichtenstein mit Intendantin Elisabeth Sobotka.
Regisseur Jörg Lichtenstein mit Intendantin Elisabeth Sobotka.
Nicole Wacker, die die Partie der Armida singt.
Nicole Wacker, die die Partie der Armida singt.

Premiere von „Armida“ bei den Bregenzer Festspielen am 15. August, 19.30 Uhr, im Theater am Kornmarkt. Weitere Aufführungen am 17. und 19. August.