Austro-Thriller, dem es an nichts fehlt

Der Hai im System
Kurt Palm,
Leykam Buchverlag,
288 Seiten
Kurt Palm legt seinen ersten Thriller vor. Der Diogenes Verlag beendet die Jörg Fauser Werkausgabe würdig.
Spannung Den nicht mehr ganz jungen Kulturinteressierten dürfte Kurt Palm schon ein halbes Leben lang ein Begriff sein: Begonnen hat es mit dem aktionistischen off-Theater „Sparverein Die Unzertrennlichen“, übergehend in die vom TV übertragene „Phettbergs Nette Leit Show“, der Vorgänger von „Willkommen Österreich“, vielleicht noch eine Spur intelligenter. Dazu noch unzählige Projekte, und drei Romanen veröffentlicht Palm nun mit „Der Hai im System“ seinen ersten Thriller.
Genial palmig
Angelegt ist das Buch als klassischer Thriller mit drei Erzählperspektiven: Die Lehrerin Franziska kommt nur schwer mit der verhaltensauffälligen NMS zurecht, die sie im Wiener Gürtelbereich unterrichtet. Vor einer ganz anderen Baustelle steht der Polizist Philip Hoffmann, dessen manische Ex-Geliebte seiner Ehe den Garausmachen will. Ein desillusionierter Mann lehnt am Fensterrahmen seiner Gemeindebauwohnung und beobachtet die Schüler der eingangs beschriebenen Schule im Pausenhof. Der Lärm macht ihn fertig, im Geiste traktiert ihn seine böse Mutter und neben ihm lauert ein geladenes Sturmgewehr. Kurt Palm hat sich hier ein nettes und manchmal ziemlich grausiges Karussell ausgedacht, welches ziemlich schnell in die Gänge kommt und Ereignisse miteinander verknüpft, bis es kracht. Die Spannung hält bis zum Schluss an, ein Faktum, welches durchaus für den vielseitigen Autor spricht.
Das Wesentliche an Kurt-Palm-Romanen ist, dass er nicht wegschaut. Im Grunde tun seine Romane schrecklich weh, sind brutal ehrlich und laden einen gerade deshalb zum Nachdenken ein. Dazu arbeitet er auch mit den Gesetzen eines Thrillers, dadurch schafft er es aber auch ganz gut, ein Sittendrama zu vermeiden. Dass sich Palm sehr gut mit seinen Charakteren zurechtfindet und weiß, wie sie auf Situationen reagieren, macht seinen Roman nachvollziehbar. Apropos Nachdenkeffekt: Eine Frage beantwortet der Autor dem Leser nicht: Wer nun der Hai im System ist. Gefühlt gibt es hier einige. Ein Wort noch zu Kurt Palms Werk: Kinder scheint er am meisten zu schätzen, die haben in ihrer kindlichen Brutalität oft noch einen Patzen Unschuld an sich. Ein Kinderbuch wäre fällig, dann hätte der Meister vieler Genres wirklich alles unter einen Hut gebracht. Chapeau!
Der Unvollendete
Einer, der oft zu Lebzeiten links liegengelassen oder mit verächtlichen Blicken gestraft wurde, ist Jörg Fauser. „Rohstoff“ und „Der Schneemann“ waren seine Höhepunkte und Vorreiter, ohne die es Autoren wie Friedrich Ani vielleicht nicht geben würde. Nun schließt der Diogenes Verlag mit „Die Tournee“ das Gesamtwerk des Münchner Autors ab.
Ein Entwicklungsroman, in dem drei Charaktere etwas zu erledigen haben. Einmal mehr liegt in seiner Art zu schreiben eine absolute Gelassenheit, gepaart mit dem Wahnsinnstalent, den Inhalt durch Schilderungen voranzutreiben, wofür der Spannungsmomente in den Hintergrund kippt. Eine Trilogie hätte es werden sollen, doch der Autor verstarb an seinem 43. Geburtstag. Er wurde beim nächtlichen Spaziergang auf dem Münchner Autobahnzubringer von einem Lkw erfasst. Nun ist der unvollendete Roman aus dem Nachlass schön aufbereitet worden, jeweils am Kapitelanfang mit Originalseiten als Faksimile sowie einem nachgestellten Exposé, Entwürfen und zwei Kommentaren.

Die Tournee – Roman aus dem Nachlass
Jörg Fauser,
Diogenes Verlag AG,
288 Seiten