Zwischen Yogamatten und Buddha-Statue

Kultur / 02.09.2022 • 18:33 Uhr
Zita Bereuter im Gespräch mit Autor Daniel Schreiber. cro
Zita Bereuter im Gespräch mit Autor Daniel Schreiber. cro

Autor Daniel Schreiber las und sprach beim FAQ Bregenzerwald über sein Essay “Zuhause”.

Alberschwende „Der Stadel wirkt wenig aufgeräumt!“ Ein Herr in der hinteren Reihe scheint laut zu denken, während er Kopf und Augen durch den barocken Stadel wandern lässt. Seine Schlussfolgerung Sekunden später: „Er scheint in Verwendung zu sein.“ Worauf seine Partnerin lachend anmerkt: „Ja, für einen Yoga-Kurs, da stehen ein Buddha und Kerzen!“ Auch das Gesellschaftsforum FAQ Bregenzerwald, das 2022 bereits zum achten Mal stattfindet, hält in „Gesers Stadel“ regelmäßig Veranstaltungen ab. So auch die Lesung samt Gespräch mit dem Titel „Zuhause“, die der großen Frage nachspürt: „Was ist eigentlich ein Zuhause und wie wichtig ist es, überhaupt eines zu haben?“

Heimat – ein irrealer Sehnsuchtsort

Die Antwort darauf gibt der deutsche Autor und Journalist Daniel Schreiber, und zwar nicht nur in einem Essay in Buchform, in dem er sich mit seiner eigenen Geschichte auseinandersetzt, sondern auch in der Veranstaltung am Freitagmittag. Dabei gewährt er Einblicke in die Geschichte seiner Urgroßmutter, die in ihrem Leben drei Mal flüchten musste; er erzählt von seiner Kindheit in einem mecklenburgischen Dorf in der ehemaligen DDR und lässt die Besucher an der Suche nach einem Platz, an dem der 45-Jährige bleiben möchte, teilhaben. Zita Bereuter, die das Gespräch mit dem Schriftsteller führt, spielt außerdem auf den Begriff Heimat an und stellt die Frage nach dem Unterschied. „Zum Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfuhr das Wort zum ersten Mal jene romantische Verklärung, die wir ihm heute noch zukommen lassen: Heimat stand nun für Ideen von Zugehörigkeit, Verwurzelung und regionaler Lebensart“, wirft Schreiber einen Blick in die Vergangenheit. Die Idee von Heimat, die damals ihren Anfang nahm, sei lediglich eine Projektion von kollektiven Sehnsüchten, Ängsten und Nostalgien. Sie war ein Sinnbild für etwas, das man anders nicht zum Ausdruck bringen konnte und beschrieb den Ort einer irrealen, rückwärtsgewandten Sehnsucht. „Heute begegnet einem ,Heimat‘ wieder überall. Es ist als politisches Schlagwort aus keinem Parteiprogramm mehr wegzudenken und geradezu eine Pathosformel, die Fußabstreifer schmückt, Restaurants einen Namen gibt und einer großen Supermarktkette für Werbezwecke dient“, nimmt der Literaturwissenschaftler eine kritische Haltung ein.

„Weil alle Menschen sich im Laufe ihres Lebens die Frage stellen müssen, ist die Suche nach dem Ort, an dem wir leben wollen, ein zentrales Anliegen“, vermutet Bereuter. „Ja“, bestätigt der Autor und sieht in seinem Buch ein Gesprächsangebot: „Ich möchte Menschen durch den persönlichen Blick dazu anregen, sich selbst Fragen zu stellen, etwa: Wie ist es denn bei mir, in meinem Leben? Habe ich ein Zuhause? Suche ich es noch?“

„Grüne Yogamatten“, ist von hinten eine flüsternde Stimme zu hören. Der suchende Blick des Herrn endet im letzten Winkel. Tatsächlich stapeln sich ganz links auf Kanthölzern grüne Liegeauflagen. Ein Zuhause ist damit gesichert. Tatsächlich scheint Gesers Stadel die örtlichen Yogis zu beherbergen. Übrigens: Auch Daniel Schreiber macht Yoga. Die wöchentliche Stunde sei ein liebgewonnenes Ritual. „Routinen und Gewohnheiten schaffen die Qualität, die man braucht, um an einem bestimmten Ort gut zu leben“, ist er überzeugt und dankt dem applaudierenden Publikum fürs Zuhören. CRO

Das FAQ Bregenzerwald läuft noch bis zum 4. September. Infos und Programm unter: www.faq-bregenzerwald.com