Die Trugbilder des Martin Chramosta

Der gebürtige Zürcher arbeitet in den Bereichen Performance, Plastik und Video, Literatur, Musik und Malerei.
Bregenz Martin Chramosta präsentiert unter dem Titel „Miraggio“ („Trugbild“) im Künstlerhaus Palais Thurn & Taxis bei seiner ersten institutionellen Ausstellung in Österreich seine neuesten Arbeiten. Der Künstler und Multilingualist (sechs Sprachen) setzt sich in den im Künstlerhaus zu sehenden Werken mit Architektur sowie deren Dekorationselementen und diversen Fundstücken, die er immer wieder in einen neuen Kontext setzt, auseinander.

Ausgangspunkt der Ausstellung ist der einjährige Aufenthalt des Künstlers in Rom als Stipendiat des Instituto Svizzero, beheimatet in der Villa Maraini auf dem Pincio in Rom. Eine Videoarbeit in der Black Box im ersten Stock des Künstlerhauses entführt uns in eine nahezu unwirkliche Landschaft, eine bizarre Felsanlage, die der Schweizer Bildhauer und Tierfreund Urs Eggenschwyler 1911 für den Zoo von Rom gebaut hat.

Eggenschwyler war eng mit dem bekannten Schweizer Maler Arnold Böcklin befreundet. „Die Toteninsel“ (1880-86), nicht nur ein Hauptwerk von Böcklin, sondern auch des Symbolismus, findet in den künstlichen Felsen im Bioparco Roma zweifelsohne eine reale Umsetzung durch Eggenschwyler. Martin Chramosta gelingt es, mit dem Video nicht nur ein fesselndes Narrativ zu erzeugen, er nimmt den Betrachter auch auf eine mystische Entdeckungsreise mit.
Mikroruinen</strong>
Die Keramiken, die Chramosta selbst als intuitive Architekturen, als „Mikroruinen“ bezeichnet und an Häuserfassaden erinnern, haben hingegen oft reale Bauten zum Vorbild, wie etwa der Palazzo della Civiltà Italiana (heute Headquarter der Nobelmarke Fendi) im römischen Stadtviertel EUR oder auch antike Gräber und Rundbögen, Strebepfeiler oder Renaissance-Tempietti. Unterbrochen durch Gräser- oder Garbenbüschel, mutieren sie zu „tönernden Setzkästen“. Rohe, grobschlächtige Bohrkerne (Migroszentrale Zürich) in der Mitte des Raumes platziert, im Gegensatz zu den fragilen Keramiken.

Im Erdgeschoss, das für die Besucher verschlossen bleibt – ein Eisenzaun verwehrt den Zugang – befindet sich eine Videoarbeit, die man nur durch einen Spaziergang in den Thurn und Taxis-Park von außen betrachten kann. Hier taucht das Motiv des Zaunornaments wieder auf, dynamisch geschnitten wechseln Blätter, Sträucher und Bäume mit Zäunen/Gittern. Wie der Zaun eine Gartenbegrenzung ist, so ist es in diesem Fall auch das Video, das sich als Grenze zwischen Gebäude und Park sehen lässt. Gittertore, in die scheibenförmige Keramiken appliziert sind oder in denen auch die Umrisse eines Stadtplanes von Rom angedeutet sind, verwandeln sich zu repräsentativen, ästhetischen Arbeiten.

Im Dachgeschoss befinden sich aus Eisen geschweißte „Bilderbücher“, die sich umblättern lassen, eines mit dem Hinweis „Dear diary“ versehen. Durchaus als Vexierbilder geeignet, die eingerostete Synapsen wieder in die Gänge bringen und phantastische Welten entstehen lassen, in die uns Martin Chramosta mit einfachen, aber sehr wirkungsvollen „Fundstücken“ entführt, Seelenbalsam und Nervenfutter zugleich.
Thomas Schiretz
Miraggio
Martin Chramosta
Ausstellungsdauer: 1. Oktober bis 13. November 2022
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag, 14 bis 18 Uhr / Sonn- und Feiertage 11 bis 17 Uhr.
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