Grandioses Solo: King Kong Vivienne

Kultur / 10.10.2022 • 20:46 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Vivienne Causemann in und als „King Kong Vivienne“.VLT/Anja Köhler
Vivienne Causemann in und als „King Kong Vivienne“.VLT/Anja Köhler

Große Schauspielkunst in kleiner Box: Uraufführung am Landestheater.

Bregenz Die Hauptdarstellerin und Autorin des Stückes, Vivienne Causemann, hat sich mit ihrem Stück „King Kong Vivienne“ viel vorgenommen. Ein Solostück mit einer Länge von knapp 90 Minuten verlangt auch gedächtnisstarken Schauspielern schon der schieren Textfülle wegen eine Menge ab. Und bei Causemann sitzt der Text perfekt, kein Hänger, kein Versprecher. Dass sie dazwischen auch noch singt und sich dabei abwechselnd mit Klavier und Gitarre begleitet, ist das Tüpfelchen auf dem i. Was Vivienne Causemann dem Publikum bietet, ist neben der eindrucksvollen textlichen aber vor allem eine grandiose darstellerische Leistung. Eine Ein-Personen-Inszenierung, die dank Causemanns Bühnenpräsenz und ihrem facettenreichen Spiel niemals langweilig wird. Im Gegenteil: Alle Zutaten, die gutes Theater ausmachen, sind enthalten: Unterhaltung, eine Portion Humor, Musik und ein erheblicher Anteil Dramatik. Beinahe unglaublich ist es, wie schnell es Vivienne Causemann gelingt, „den Schalter umzulegen“: In einem Moment ist sie noch Vivienne, die mit der Magersucht und all der damit verbundenen Tragik zu kämpfen hat, im nächsten gibt sie in grandioser Weise Reich-Ranicki, Löffler und Karasek im „Literarischen Quartett“, nur um wenig später das legendäre TV-Gespräch zwischen Alice Schwarzer und Verona – damals Feldbusch – nachzuspielen.

Hier liegt jedoch auch die einzige Schwäche des Stücks. Die Diskussion über Elfriede Jelineks „Lust“ im „Literarischen Quartett“ ist 33 Jahre alt, Reich-Ranicki damals schon 70-jährig. Wollte die Autorin den Mann von heute karikieren, dann zog sie ein viel zu antiquiertes Beispiel heran. Wollte sie aufzeigen, wie Männer in den 1980er Jahren über die weibliche Sexualität sprachen, versteht man den Zusammenhang zu der Magersuchterkrankung einer Frau heute nicht. Das Gespräch zwischen Schwarzer und Feldbusch, damals als Kampf „Brain gegen Body“ von den Boulevardzeitungen beschrieben, ist schon älter als 20 Jahre. Der Unterhaltungswert ist groß, die schauspielerische Leistung grandios, der Erkenntnisgewinn eher bescheiden.

Eindringlicher Text

Der wahre Plot des Stücks ist der Bericht über die Magersucht einer jungen Frau. „Kurz nach meinem 15. Geburtstag habe ich mich entschieden, dass ich nichts mehr esse. Ich hatte mir das vorher schon ein paar Mal vorgenommen, aber nie durchgezogen. Meine Mutter meint, ich habe zuerst aufgehört, Süßigkeiten zu essen, dann Kohlehydrate. Außerdem habe ich angefangen laufen zu gehen.“ Wenn Causemann über das Leben der magersüchtigen Vivienne berichtet, dann sind das eindrückliche, ergreifende Momente, nicht zuletzt wegen ihrer erschütternden Aktualität. Die Kraft des Textes liegt in seiner Klarheit, seiner Nüchternheit, die durch die distanzierte Erzählweise der Schauspielerin noch gestärkt wird. Inszeniert wurde King Kong Vivienne mit viel Schwung, wenn das Stück Tempo verlangte, und mit Zurückhaltung, wenn es zum Nachdenken anregte, von Franziska Brunner. Fazit: Großes Theater in der kleinen Box mit einer starken Botschaft. Absolut empfehlenswert. VN-AMA

Vorstellungen: Mittwoch, 12. 10.; Samstag, 15. 10.; Mittwoch, 28. 12.; Donnerstag., 29. 12., 19.30 Uhr; weitere Termine in Planung