Sturm und Drang in Götzis

Nicht nur sanfte Melodien bei den Stimmen des Herzens.
Götzis Wer sich unter dem Titel „Die Stimme des Herzens“ vor allem sanfte Melodien erwartet hatte, kam beim letzten Konzert von Concerto Stella Matutina nicht auf seine Rechnung. Zu hören waren Kompositionen des Sturm und Drang, die sich durch jähe Empfindungswechsel auszeichnen. Dass der experimentelle Charakter dieser Musik auch mit den Umwälzungen im Europa des späten 18. Jahrhunderts zusammenhängt, darauf wies der Solist und Dirigent des Abends, Vittorio Ghielmi hin, einer der renommiertesten Gambisten überhaupt. Er spielte eine Gambe mit sieben Saiten, mit deren silbrigem Klang er das Publikum bezauberte.
Wie ein wilder Ritt brach Johann Christian Bachs g-moll-Symphonie los, deren rasende Streicher von den Oboen melodisch kontrastiert wurden. Im expressiven zweiten Satz gelangen sehr schöne Phrasierungen, der rhythmisch zerrissene Schlusssatz hörte überraschend ganz unspektakulär auf. Obwohl man dem Orchester hier noch die Anspannung anmerkte, bestachen vor allem die Geigen durch ungemeine Präzision und perfektes Zusammenspiel.
Eine Sternstunde des Herzens
In einen Raum der intimen Intensität führte Ghielmi mit drei Solostücken für Viola da gamba von Carl Friedrich Abel: hochvirtuose, feine Kompositionen, die nie die Virtuosität als Selbstzweck ausstellen und das aktive Zuhören mit einer geradezu meditativen Ruhe belohnen. Im Gambenkonzert von Johann Gottlieb Graun fanden sich Orchester und Solist in beredtem Zusammenspiel, die Continuogruppe setzte kräftige Akzente.
Zu einer Sternstunde am Himmel von Concerto Stella Matutina wurde das Doppelkonzert für Violine und Gambe, ebenfalls von Graun, dem Spitzengeiger in der damals europaweit führenden Kapelle des Preußenkönigs Friedrichs II. in Berlin. Und das merkte man dem Geigenpart an, der von der kurzfristig als Konzertmeisterin eingesprungenen Irma Niskanen elegant, mit selbstverständlicher Virtuosität, warmem Ton und sprechender Artikulation hingebungsvoll gestaltet wurde. Es entstand ein intensives Miteinander der beiden Solisten, im dritten Satz klangen die sich imitierenden Stimmen fast wie ein streitendes Ehepaar. Tosender Applaus des Publikums, dann folgte noch eine Symphonie von Carl Philipp Emanuel Bach, mit halsbrecherisch auf den Saiten herumturnenden Violinen, während die Hörner gemütlich „tamtam, tam-tamtam“ bliesen; auch die Zugabe stammte von diesem Bach-Sohn. Fazit: Ein Konzert, das an Spannung jeden Freitagabendkrimi übertraf. UL