Mit Gratwanderung zum Erfolg

Kultur / 19.10.2022 • 20:00 Uhr
„Choropax“ steht seit 2000 unter der Leitung des Kärntners Ewald Brandstätter.
„Choropax“ steht seit 2000 unter der Leitung des Kärntners Ewald Brandstätter.

Die Hohenemser Orgeltage wagten mit „Choropax“ einen Mix aus Frühbarock und Moderne.

HOHENEMS Sie zählen längst zum festen herbstlichen Kulturangebot des Landes, die Chor- und Orgeltage in der Stadtpfarrkirche St. Karl. Die beiden langjährigen Kuratoren Christoph Wallmann und Peter Amann begeisterten auch am vergangenen Wochenende ihr treues Stammpublikum mit einer attraktiven Programmauswahl von Orgel und Jazz an den ersten beiden Abenden. Das muss diesmal für zwei Jahre reichen, denn 2023 entfällt das kleine, feine Festival wegen Renovierung der Kirche und der im Zentrum stehenden prächtigen Gollini-Orgel.

Der begehrte Sonntagstermin, um den sich jährlich prominente Chorvereinigungen von nah und fern reißen, gehört erstmals einem Tiroler Vokalensemble, dem Kammerchor mit dem originellen Namen „Choropax“ aus Wattens, der zu seinem Debüt risikofreudig einen Mix aus frühbarocken Vokalkompositionen und sakralen zeitgenössischen A-Cappella-Vertonungen im Gepäck hat. „Eine Gratwanderung für uns“, gesteht Christoph Wallmann, mit der man zwar auf die Erwartungen des Publikums Rücksicht nehmen und die Zuhörer doch vorsichtig an die Neue Musik heranführen wolle.

„O nata lux“

„Choropax“ steht mit seinen derzeit 27 Sängerinnen und Sängern seit 2000 unter Leitung des Kärntners Ewald Brandstätter, einem drahtigen, energischen Dirigenten, der seine Leute top auf dieses fordernde Programm unter dem Motto „O nata lux“ eingeschworen hat. Es geht also um das Licht, Sinnbild Gottes, das zu allen Zeiten die Vorlage für Vokalvertonungen bildete. Das Besondere dabei: Motetten der Barockmeister Johann Hermann Schein und Heinrich Schütz werden in ihrer ergreifenden Gläubigkeit und Dramatik unmittelbar kontrastiert durch zeitgenössische Vertonungen aktueller geistlicher Chorwerke der internationalen Szene. Dabei ergibt sich mehrmals der verblüffende Effekt, dass sich Alt und Neu für den Zuhörer klanglich nicht wesentlich voneinander unterscheiden, weil sie aus denselben Klangmustern gespeist sind wie etwa das glockenartig aufgefächerte „Ave Maria“ von Daniel Elder und Scheins folgende Motette.   

Mit staunenswerter Flexibilität zeigt sich das Vokalensemble in beiden Bereichen als höchst informiert und engagiert in den allgemein gültigen Maßstäben des kultivierten Chorgesanges. Neben klarer Diktion sind das absolute Präzision, berückende Klangschönheit und große Homogenität. Im aktuellen Teil kommt noch die Bewältigung der rhythmischen und harmonischen Komplexität hinzu, die ausgefeilte Dynamik, die Charaktere und Färbungen der einzelnen Gesänge, die fein abgestuft manchmal innig wie ein Gebet, oftmals grell strahlend wie Morten Lauridsens „O nata lux“ oder Eric Whitacres „Lux Aurumque“ klingen. Der vielfältige spannende Programmbogen wird eingerahmt von „Exsultate“ und „Alleluja“, zwei jubelnden, mitreißenden Lobgesängen des Amerikaners Jacob Narverud in leicht geschärfter Harmonik. Die Verknüpfung zwischen diesen beiden so weit gespannten Welten bilden ein leises Continuo-Ensemble auf alten Instrumenten mit Theorben und Violone sowie Manfred Novak mit klug disponierten Orgel-Improvisationen. Beeindruckender, stimmiger hätte man diese feierliche Glaubensstunde um das Licht nicht zelebrieren können. Die Zuhörer gehen begeistert diesen Weg mit.

Fritz Jurmann