Theaterkrise oder “Draußen vor der Tür”
Die Auslastungszahlen der Theater scheinen seit Covid abzustürzen. Besucherzahlen wie Abos sind rückläufig. “Fünfzig Prozent sind das neue Ausverkauft”, so hört man manche Theaterleiter aus der Not eine Tugend machen. So gerne die Coronapandemie als Ursache für das veränderte Besucherverhalten ins Treffen geführt wird, so sehr scheint diese Analyse zu kurz zu greifen.
Es mag sein, dass das soziale Verhalten der Menschen durch das Hygieneregime immer noch eingeschränkt ist und Homeoffice und privates Cocooning die Menschen an Haus, Herd und Bett binden. Wenn man jedoch die Statistiken der letzten Jahre und den stetigen Rückgang des Theaterkonsums betrachtet, dann ist die Covidkrise nur ein Brandbeschleuniger einer bereits seit Längerem anhaltenden Legitimationskrise.
So verdanken nicht wenige Theater wie z.B. das Wiener Volkstheater ihre ohnehin desaströsen Auslastungszahlen der Schummelei mit wiederholter Reduktion ihrer Sitzplatzkapazitäten. So sehr veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen, ein zunehmend alterndes Publikum und das Opfern kultureller Bildung zugunsten wirtschaftlicher Opportunitäten die negative Entwicklung beschleunigen und immer mehr Menschen von kultureller Teilhabe ausschließen, so sehr dienen sie auch als Ausreden für ein Theater, das seit Jahren nur mehr sich selbst befriedigt und sich durch gegenseitige Selbstbeweihräucherung bei Preisgalas (Raimund) Vitalität vorgaukelt.
So verdanken nicht wenige Theater wie z.B. das Wiener Volkstheater ihre ohnehin desaströsen Auslastungszahlen der Schummelei mit wiederholter Reduktion ihrer Sitzplatzkapazitäten.
Geradezu rührend wirkt auch der Versuch, sich über Anbiederung an den Zeitgeist aus der Misere zu retten, indem sie die Bühne zum Selbsterfahrungsworkshop umfunktionieren und mit Weltrettungsvokabular und Political Correctness zumüllen. Manifeste neulich wie die Solidaritätserklärungen für die BDS-Antisemiten oder die Schmier- und Klebeaktionen der Apokalyptiker von der “Letzten Generation” erweisen sich als hoffnungsloser Versuch, die zunehmende gesellschaftliche und den sozialen Bedeutungsverlust durch politischen Aktivismus zu kaschieren.
Was da als radikal und als Haltung verkauft wird, ist nichts als mit Elitedünkel garnierte, risikofreie und selbstgerechte Pose. Im besten Fall gebiert das Theater mit moralingesäuertem Zeigefinger gepflegte Langeweile, die das Publikum die Frage nach verlorener Lebenszeit stellen lässt. Dass es auch erfolgreiche Therapien gegen Theatermüdigkeit gibt, erlebte ich neulich in Berlin. Borchardts “Draußen vor der Tür“ im Berliner Ensemble (Michael Thalheimer) war ein ergreifender und hochaktueller Theaterabend.
Einen weiteren Höhepunkt setzte die Komische Oper Berlin mit dem „Fliegenden Holländer“ (Herbert Schmid) und „Eine Frau, die weiß, was sie will.“ (Barry Kosky). Grandios, klug, innovativ, frisch, ja und unterhaltsam. Das erstaunlich junge Publikum belohnte es, beide Häuser waren pumpvoll. Die Komische Oper wird erfolgreich geleitet von der aus dem Montafon stammenden Opernintendantin Susanne Moser, die mit dem Meisterregisseur Barry Kosky ein Erfolgsmodell erarbeitete. Mit anderen Worten: Die Krise des deutschsprachigen Theaters ist hausgemacht und wie die Berliner Beispiele zeigen, muss und kann sie auch von den Theatern mit Innovation und Qualität selbst gelöst werden.
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