Edle Einfalt, stille Größe

Kultur / 27.01.2023 • 18:35 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Porträt Jericho, 2022, Eitempera auf Leinen.
Porträt Jericho, 2022, Eitempera auf Leinen.

Wolfgang Walkensteiner präsentiert im Bildraum Bodensee erstmals seine Werke in Vorarlberg.

BREGENZ Der oben genannte Titel, ein Zitat des Kunsthistorikers Johann Joachim Winkelmann (1717-1768), könnte durchaus auch für die Werkschau des Kärntner Künstlers Wolfgang Walkensteiner (*1949), der in Wien lebt und arbeitet, stehen. Walkensteiner hat bei Max Weiler studiert und war damals mit 27 Jahren der jüngste Teilnehmer auf der 36. Biennale in Venedig.

Während die Giraffe für Erhabenheit steht, steht der Schwan, besser gesagt die Schwänin namens Jericho, für Schönheit.

Gespür für Farben

Das Narrativ will, dass die Schwänin Jericho, ausgestattet mit einem Düsenantrieb, bei ihrem Flug die Schallmauer (auch die Stadtmauern von Jericho fallen durch den Lärm der Schofarhörner) durchbricht und letztendlich dabei ihr Leben verliert. Walkensteiner hat ihr mit der Skulptur „Schwan im Eimer“ ein würdiges Kenotaph errichtet. Neben der extraterrestrisch anmutenden Skulptur der fliegenden Schwänin sind die Arbeiten „Footprints“, „Totenmaske Jericho“, „Schwanenfuß 1 und 2“, „Portrait Jericho“ etc. in virtuosem Colorit zu sehen, Walkensteiner hat ein untrügliches Gespür für Farben, aber auch für Formen. Er hat ebenso ein Gespür für Fraktale, Muster, wie auch für Frakturen, Ein- und Ausbuchtungen, die sich exponentiell den Raum erobern. Wolfgang Walkensteiner durchbricht mit seiner Kunst die künstliche Schallmauer althergebrachter Anschauungen über Sinn und Unsinn von Kunst. Er ist in der Natur verortet, modelliert kleine Figuren aus Ton als Vorbild für seine überdimensionalen Werke, macht Vorzeichnungen und verwendet immer wieder „Archivblätter“ (ob gelungene oder misslungene Arbeiten) schneidet sie aus, und verwendet sie als Intarsien für neu zu schaffende Werke.

Dynamische Malweise

Walkensteiners persönliche Handschrift, eine Art Markenzeichen, ein künstlerisches Credo, aber auch ein Stilmittel. Bei näherer Betrachtung der 3-teiligen Arbeit „Footprints“, eine „Intarsienarbeit“, bei der unter anderen ein Schwanenfuß ausgeschnitten ist, generieren sich gänzlich neue Bildmotive. Nahezu rauschhaft verdichtet sich der zeichnerische Duktus und in einer unglaublich dynamischen Malweise eröffnen sich dem Betrachter Giovanni Battista Piranesis „Carceri d’inventione“ (Kerker der Phantasie) -Radierungen oder auch Giuseppes Arcimboldos „teste composte“ (zusammengesetzte Köpfe, verblüffende Porträts aus Blumen, Früchte, Tieren oder anorganischen Objekten).

Wechselnde Perspektiven und Größenverhältnisse sorgen für fortwährende Irritationen, es gibt weder einen Innen noch ein Außen, keine Fixpunkte, auf die der Betrachter sein Auge richten kann. Der Untertitel der Ausstellung „warum Kunst und nicht nicht“ kann man getrost als philosophisches Augenzwinkern verstehen. Spielerisch und einfach entzaubert Aristoteles (und auch Walkensteiner) den bedeutungsschweren Begriff des Nichts, dass „der Schatten des Nichts das Seiende in seiner Seiendheit ausdrücklich erscheinen lässt“. Wolfgang Walkensteiners Arbeiten sind seiend. Tsh

Künstler Wolfgang Walkensteiner vor seiner dreiteiligen Arbeit Footprints, 2020-21, Eitempera auf Leinen. THOMAS SCHIRETZ
Künstler Wolfgang Walkensteiner vor seiner dreiteiligen Arbeit Footprints, 2020-21, Eitempera auf Leinen. THOMAS SCHIRETZ

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