Eine Art Hommage an eine Freundschaft

Kultur / 06.02.2023 • 20:50 Uhr
Der Schriftzug „Etwas Schlimmes ist passiert“ zierte die Bühne. VLT/Köhler
Der Schriftzug „Etwas Schlimmes ist passiert“ zierte die Bühne. VLT/Köhler

„Von Mäusen und Menschen“ feierte seine Premiere in Bregenz.

Bregenz Gleich am Anfang ziert der Spruch „Something bad happened“ – etwas Schlimmes ist passiert, in blauer Neonfarbe das Bühnenbild. Ein düsteres Lied läuft im Hintergrund, während George, der von David Kopp verkörpert wird, in einem Hamsterrad läuft und sein Kumpane Lennie, Nico Raschner, ein paar Meter daneben mit einer überdimensional großen Karotte kuschelt. Wer das Buch „Von Mäusen und Menschen“ von John Steinbeck gelesen hat, weiß, dass diese Geschichte kein schönes Ende hat. Wer dies nicht getan hat, bekommt trotzdem eine Vorahnung beim Anfangsszenario des Theaterstückes. „Von Mäusen und Menschen“, inszeniert von Agnes Kitzler, feierte Premiere am Freitagabend im Vorarlberger Landestheater, vollgepackt mit Emotionen und einer Prise Humor.

Überzeugende Darsteller

Lennie und George kennen sich von klein auf. Sie wandern auf der Suche nach Arbeit gemeinsam quer durch Amerika. Dabei ziehen sie von einer Farm zur nächsten. Stets muss George den geistig beeinträchtigten Lennie, der den Körperbau und die Stärke eines Riesen hat, an etwas erinnern. Er zieht ihn immer wieder in große Schwierigkeiten mit hinein. „Ich kann dich auch in Ruhe lassen und in einer Hölle leben gehen“, sagt Lennie immer wieder zu seinem Freund. Dabei gibt ihnen der Traum von einem eigenen Anwesen mit einer Kuh, Schweinen, Hühnerstall und (ganz wichtig) Kaninchen die Motivation, ihre Reise immer wieder aufs Neue fortzusetzen. „Erzähl mir von den Kaninchen George“, brüllt Lennie, mit voller Überzeugungskraft von Nico Raschner dargestellt.

Lennie ist darauf versessen, Sachen, die ihm besonders gefallen, anzufassen und zu streicheln. Sei es eine Maus, ein Hund oder ein Kleid. Auf ihrer letzten Arbeitsstelle in Weed hatte Lennie das Kleid eines Mädchens nicht mehr loslassen können. Das rote Kleid gefiel ihm so sehr, dass er es unbedingt anfassen wollte. „Ich hab nichts Böses getan“, wiederholte er mit einem unschuldigen Unterton.

Bevor sie auf der neuen Farm eintreffen, erinnert George seinen Freund, wo er sich verstecken solle, falls etwas Schlimmes passiert. „In den Büschen! Warten bis George kommt“, ruft Lennie voller Freude, dass er es noch weiß. Kurz darauf macht ihm der Sohn ihres neuen Chefs, Curley, Ärger. Der Mann ist immer wieder auf der Suche nach seiner Frau, die den anderen Arbeitern „schöne Augen macht“. Als er die Landarbeiter nach seiner Frau fragt und dabei den lächelnden Lennie sieht, geht er auf ihn los. Es wird dunkel im Theater. Heavy Metal dröhnt aus den Boxen. Curley, gespielt von David Kopp, schlägt mit einer Jacke auf den Riesen ein. Bam, bam. „George, sag ihm, er soll mir nicht weh tun, George!“ Bam, bam. „Mach was, Lennie, zeig es ihm!“ Und im Handumdrehen wird die Hand von Curley zermatscht. Der Sohn erzählt aus Scham seinem Vater nicht, was passiert ist.

Eines Abends schleicht sich Lennie in die Scheune, um die Welpen zu streicheln. Da er seine Kräfte nicht einschätzen kann, tötet er die Welpen aus Versehen beim Spielen. Sein erster Gedanke: George wird ihm jetzt nicht erlauben, dass er sich um die Kaninchen kümmert. Derselbe Gedanke kommt ihm, als er Curleys Frau erwürgt. Sie wird von einer Puppe verkörpert, ebenfalls gespielt von Nico Raschner. Brillant versetzt sich der Schauspieler von einem Moment auf den nächsten von einer Rolle in die andere und spielt so den Dialog zwischen der Frau und Lennie. Eine großartige Puppenshow auf der Bühne.

Bewegendes Drama

Die Arbeiter machen sich auf die Jagd nach Lennie. George trifft ihn am Versteck. „Ich habe es nicht vergessen.“ Besessen will er wieder von ihrem Traum hören. Während George ihm diesen erzählt, schaut Lennie in die Ferne. Ein Knall. George erschießt seinen Freund. Aus Liebe zu ihm? Oder weil er es satt hatte, in die Schwierigkeiten hineingezogen zu werden? Anschließend hüpft er auf das Hamsterrad, dieses Mal geht er allein wieder durch den weiten Westen. Ein Lied ertönt: „He was a friend of mine“ – er war ein Freund von mir. Jubelnder Applaus und Füße stampfen seitens des Publikums. Wer sich ein bewegendes Drama von tiefer Freundschaft, Wünschen und miserablen Umständen anschauen möchte, darf „Von Mäusen und Menschen“ in der Box in Bregenz nicht verpassen. VN-PEM