Die vielen Facetten des Lars Eidinger

Kultur / 24.03.2023 • 13:50 Uhr
Tausendsassa Lars Eidinger.<span class="copyright">Ingo pertramer</span>
Tausendsassa Lars Eidinger.Ingo pertramer

„Welche:r Schauspieler:in der Welt würde sagen,
Hollywood interessiert mich nicht?“

WIEN/SCHWARZACH Lars Eidinger gehört zu den besten Schauspielern seiner Generation. Mit etlichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem dem Bayerischen Filmpreis, dem Deutschen und Österreichischen Filmpreis oder dem Grimme-Preis, um nur wenige zu nennen, klettert der 47-jährige Berliner auf der Karriereleiter weiter steil nach oben. Zum Kinostart der Dokumentation „Lars Eidinger – Sein oder nicht sein“ sprach der Schauspieler mit den VN in Wien über die Produktion, künstlerische Leidenschaften, Hollywood, warum das Theater eine Schnittblume ist und der Film eine Topfpflanze und über den morbiden Charme der Fotografie.

Nun kommt die Dokumentation in die Kinos. Freuen Sie sich darauf, sind Sie aufgeregt, gespannt auf die Reaktionen?

EIDINGER Na ja, es ist ja immer das Seltsame beim Filmemachen, dass man da für ein Publikum spielt, das in der Zukunft lebt. Wenn ich beim Theater eine Premiere habe, bin ich natürlich viel aufgeregter, weil es dann unmittelbar ist und weil die Reaktion des Publikums auch meine Art zu spielen beeinflusst. Das geht nicht mehr bei einem Film, das ist ja schon eine Konserve.

Ich habe zum Beispiel eine Kino-Tour gemacht mit einem Film und wir sind durch Deutschland gefahren, haben diesen Film gezeigt und ich habe mir oft die ersten 20 Minuten mit dem Publikum angeschaut – die Leute haben immer anders reagiert. Wenn ich jetzt mit einem Theaterstück reisen würde, würde ich denken, wenn zum Beispiel gar nicht reagiert wird, gelacht oder so, es liegt an mir … weil ich grad nicht gut bin. Da merkt man oft, dass es auch vom Publikum abhängt, denn der Film ist ja immer der gleiche. Deswegen bin ich jetzt nicht so aufgeregt, wenn er ins Kino kommt, ich kann es sowieso nicht mehr beeinflussen.

Das Spezielle am Film ist eigentlich, dass es eine eigene Dokumentation über Sie ist – nicht nur ein Film, in dem Sie mitspielen, sondern ein Film über Sie und über Ihre Arbeit.

EIDINGER Im besten Fall ist es so, dass die Leute da reingehen, um sich selbst zu begegnen und nicht mir. Es funktioniert zwar über mich, aber so würde ich auch immer meine Aufgabe als Künstler sehen. Dass ich ein Spiegel der Gesellschaft bin und jemand, der mich auf der Theaterbühne sieht, sich selbst darin wiederfindet. Ich glaube, nichts anderes beschreibt so ein Phänomen wie Empathie oder Mitgefühl oder Mitleid. Man sitzt da drin und stellt sich vor, was wäre, wenn es mir passieren würde und leidet mit.

"Lars Eidinger – Sein oder nicht sein", eine Dokumentation von Reinher Holzemer über die Arbeit des Ausnahmekünstlers. <span class="copyright">Filmladen</span>
"Lars Eidinger – Sein oder nicht sein", eine Dokumentation von Reinher Holzemer über die Arbeit des Ausnahmekünstlers. Filmladen

Welche Situation meinen Sie mit „leidet mit“?

EIDINGER Generell, wenn man Mitleid hat, dann hat das immer etwas damit zu tun, dass man sich selber in diese Situation hineinprojiziert.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Regisseur Reiner Holzemer?

EIDINGER Das war seine Idee. Er ist ein sehr renommierter Dokumentarfilmer, der schon Filme gemacht hat über Martin Margiela oder Dries van Noten, William Eggleston, Juergen Teller. Er kam auf mich zu und hat gefragt, ob er mich ein Jahr lang begleiten könnte. Dann habe ich mir seine Filme angeschaut und habe so das Vertrauen aufbauen können oder dachte, es wäre interessant, auch einmal zu zeigen, wie der Beruf des Schauspielers überhaupt funktioniert. Es bleibt ja dem Publikum oft verschlossen. Man ist immer nur mit dem Ergebnis, dem Endresultat konfrontiert. Aber was da tatsächlich auf so einer Probebühne stattfindet, das weiß man gar nicht. Ich fand es interessant, dass man das öffnet und zulässt, den Prozess zeigt.

Lars Eidinger hat viele Leidenschaften, unter anderem legt er gerne als DJ auf. <span class="copyright">Miriam König</span>
Lars Eidinger hat viele Leidenschaften, unter anderem legt er gerne als DJ auf. Miriam König

Es war nicht immer jeder einverstanden, sich für die Dokumentation filmen zu lassen …

EIDINGER Ja, aber das verstehe ich auch. Also Edith Clever (spielte den Tod beim Salzburger „Jedermann“) hatte die größten Schwierigkeiten. Aber das ist auch ganz klar, denn sie ist vor allem eine Theaterschauspielerin und das Theater kultiviert eigentlich das Loslassen und, dass etwas nicht für die Ewigkeit festgehalten wird. Während der Film den Anspruch erhebt, etwas festzuhalten. Ich glaube, dass es sie unverhältnismäßig stresst, zu wissen, dass es jetzt aufgenommen wird und dass sie die Probe als geschützten Ort begreift.

Ich genieße Theater auch aus dem Grund, es hat jetzt eine Bedeutung für den Moment und danach ist es wieder vorbei. Während man beim Film immer mit dem Anspruch konfrontiert ist, dass es für nachfolgende Generationen oder für die Zukunft eine Gültigkeit hat. Das ist etwas, was einen komplett überfordert. So empfinde ich es zumindest. Genauso ist es bei der Fotografie. Ich glaube, der Reiz oder der Charme der Fotografie besteht nicht darin, dass man das Leben einfängt, sondern den Tod abbildet. Wenn man eine Fotografie ansieht, blickt man auf einen vergangenen Moment. Und das macht den morbiden Charme der Fotografie aus, es ist eigentlich ein Memento Mori. Die Erinnerung daran, dass wir vergänglich sind. Und darüber begreift man dann die Schönheit des Lebens. Wenn ich einen Strauß Schnittblumen mitbringe, besteht die Schönheit und der Reiz darin, dass die Blumen bereits vergangen sind, und wenn ich jemandem eine Topfpflanze mitbringe, hat es nicht diese sinnliche Komponente. Das finde ich interessant. Im Grunde ist der Film eine Topfpflanze und das Theater Schnittblumen.

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In der Doku wird die Szene mit Ihrem Wutausbruch bei den „Jedermann“-Proben sehr ausführlich gezeigt. In einem Interview haben Sie einmal gesagt, ein Ausraster passiere Ihnen nicht?

EIDINGER Dieser Moment ist ja so wichtig für den Film, weil er im Grunde das beschreibt, was Schauspielerei ausmacht oder von dem ich glaube, dass es die Schönheit am Beruf ist. Dass es um Unterhaltung geht im besten Sinne. Ich würde sagen, die eigentliche Qualität des Theaters ist die Unterhaltung und dass es ein Gespräch ist, Kommunikation.

Was ich auch oft mache, wenn ich Theater spiele, ist, wenn jemand den Saal verlässt, frage ich, wo er hingeht. Das mache ich nicht, weil ich provokant sein will oder radikal, sondern weil ich diese Unterhaltung unterbrochen sehe. Es ist so, wie wenn wir uns jetzt unterhalten und Sie würden einfach rausgehen. Dann würde ich auch sagen: „Wo gehen Sie denn jetzt hin?“ Im Fall von Michael Sturminger („Jedermann“-Regisseur Salzburg) hat es mich einfach gekränkt, dass ich gerade diese Unterhaltung mit ihm führe und er sich nicht bewusst ist, dass wir diese Verbindung eingehen und er da raustritt. Deswegen unterbreche ich und sage: „Wie kannst du jetzt einfach rübergehen und mit der Assistentin reden?“ Laut bin ich nur geworden, weil ich so enttäuscht war, dass er es nicht eingesehen hat. Dass er kein Bewusstsein dafür hat, dass er nicht gesagt hat: „Ich verstehe, du brauchst, dass ich dir zusehe“, sondern gesagt hat: „Aber ich muss doch jetzt hier auch meine Arbeit machen, du arbeitest auf der Bühne und ich arbeite hier und das muss halt nebeneinander stattfinden können.“ Dann ist es so eskaliert. Abgesehen davon, dass ich mich dann auch nicht leiden mag oder ich mich emotional sehe, finde ich, dass es inhaltlich total wichtig ist, um zu verstehen, was eigentlich die Besonderheit vom Spielen ist.

Lars Eidinger und Verena Altenberger 2022  im Salzburger “Jedermann” von Hugo von Hofmannsthal. <span class="copyright">APA/BARBARA GINDL</span>
Lars Eidinger und Verena Altenberger 2022 im Salzburger “Jedermann” von Hugo von Hofmannsthal. APA/BARBARA GINDL

Peter Simonischek hat kürzlich in einem Interview behauptet, Sie hätten sich über das „Jedermann“-Stück und Salzburg lustig gemacht und die Leute hätten das nicht mal gemerkt, stimmt das?

EIDINGER Nein, das ist nicht so. Mich hat das schon immer gestört, wenn man sagt: „Den bewundere ich, weil er über sich selbst lachen kann.“ Ich glaube mittlerweile, dass es viel zu wenig Menschen gibt, die sich selbst ernst nehmen. Da habe ich eine viel größere Sehnsucht als nach denen, die über sich selbst lachen können. Es gibt die allgemeine Tendenz, alles zu ironisieren. Es führt aber dazu, dass man sich eigentlich die ganze Zeit schützt, weil man sich ein Hintertürchen offenlässt. Ich habe die Aufgabe sehr ernst genommen, zu sagen: „Ich betrete stellvertretend für Jedermann die Bühne.“ Wenn ich mich über etwas lustig gemacht haben sollte, dann nur darüber, dass die Menschen vergessen haben, dass es sich beim „Jedermann“ um allegorische Figuren handelt. Und dass damit jedermann gemeint ist und nicht Superman. Und wenn ich die Bühne als „Jedermann“ betrete, dann betrete ich sie als alter weißer Mann, der ich bin. Das ist meine Aufgabe, um mich dann öffentlich in Frage zu stellen. Und nicht, weil ich mich darüber erhebe oder distanziere oder lustig mache, sondern das ist dann so aufrichtig, wahrhaftig und pur wie möglich.

Der Künstler bei der heurigen Eröffnung der Berlinale. <span class="copyright">Monika Skolimowska</span>
Der Künstler bei der heurigen Eröffnung der Berlinale. Monika Skolimowska

Sie eröffnen heuer mit einer Ausstellung das „Klagenfurt Festival“.
Im Film werden Ihre weiteren künstlerischen Tätigkeiten leider nur kurz angeschnitten, möchten Sie sich diesen Bereichen stärker widmen?

EIDINGER Ja, der Filmemacher musste sich auch entscheiden, wo man den Fokus hinlenkt. Ich wunder’ mich darüber, dass manche meinen: „Ah, der Schauspieler ist jetzt auch Künstler.“ Ist Schauspiel keine Kunst? Ich habe mal gehört, man soll Kinder nicht immer fragen, was sie werden wollen. Das ist im Grunde der Eintritt in die Leistungsgesellschaft und man definiert die Menschen nicht über ihren Beruf. Ich bin halt nicht Lars Eidinger, der Schauspieler.

Ich habe in der ALBA-Galerie in Wien eine Fotografie gezeigt, da war ich sechs Jahre alt, als ich die gemacht habe. Mit 20 Jahren habe ich eine Schallplatte veröffentlicht, da habe ich mit der Schauspielerei noch kein Geld verdient. Das sind alles Leidenschaften von mir, die ich schon viel länger habe und jetzt werden sie den Leuten bewusster. Das ist nichts, womit ich angefangen habe, weil ich gedacht habe, jetzt läufts so gut als Schauspieler, jetzt könnte ich grad auch noch eine Schmuckkollektion rausbringen. Ich habe, wenn überhaupt, den Ehrgeiz, nicht als Schauspieler wahrgenommen zu werden, sondern als Künstler und im besten Fall nicht mal als Künstler, sondern einfach als Mensch.

Sie sind ein Bewunderer von Thomas Brasch. Hier gibt es doch auch Parallelen: nicht nur die Herkunft, die intensive Herangehensweise an die Arbeit, sondern auch in der Fotografie. Wurden Sie dadurch auch inspiriert?

EIDINGER Fotografierte Thomas Brasch auch? Wirklich? Interessant, das muss ich mir anschauen. Ich habe das Gefühl, dass es kein Zufall ist, dass ich ihm dann so begegne. Ich mache einen Thomas-Brasch-Abend mit einem Schlagzeuger zusammen, George Kranz. Er hatte in den 80er-Jahren ein One-Hit-Wonder, den „Din Daa daa (Trommeltanz)“. Ich traf ihn zufällig, als ich mit meiner Tochter das Berliner Grips-Theater besuchte und er dort gespielt hat. Dann hatte ich die Idee, dass ich die Brasch-Texte mit einem Schlagzeuger zusammen machen könnte und dachte mir, ich stelle mich auf die Bühne mit einem Gedicht und George interpretiert das mit dem Schlagzeug, wir spielen nicht zusammen, wir spielen immer abwechselnd. Er kannte Thomas Brasch gut und hat auch mit ihm zusammengearbeitet. Es war wie eine Intuition, dass ich gerade ihn fragte und dass er mit Thomas Brasch befreundet war. Und dann ist es eher kein Zufall, dass Thomas Brasch ähnliche Fotos gemacht hat wie ich, weil ich mich da auch irgendwie wiederfinde oder eine Seelenverwandtschaft spüre. Das ist auch der Grund, warum mich seine Sprache und seine Gedanken so faszinieren.

Eidinger spielte in der Mini-Serie "Irma Vep". <span class="copyright"> LOIC VENANCE / AFP</span>
Eidinger spielte in der Mini-Serie "Irma Vep". LOIC VENANCE / AFP

Thomas Brasch hat einmal gesagt „Ich verkaufe den Brasch“, verkaufen Sie den „Eidinger“?

EIDINGER Ja, find ich gut. Wenn man sich zum Beispiel bei der Dokumentation fragt: „Das ist jetzt Lars Eidinger, wie er wirklich ist?“, hat es den Anspruch auf Authentizität. Würde ich sagen: „Das ist Lars Eidinger, wie er Lars Eidinger spielt.“ Das Wichtige an dem Gedanken ist, dass ich das als positiv betrachte, weil ich das spielerische Moment als sehr positiv wahrnehme. Ich glaube nicht, dass man sagen kann „So ist er wirklich“. Wie der Monolog in „Peer Gynt“, der eine Zwiebel schält und sagt, das bin ich – die Zwiebel – und die schäle ich jetzt. Und jede Schale und jede Haut steht für eine Facette meiner Persönlichkeit und am Schluss erschrickt er, weil da gar nichts drin ist, kein Kern. Ich glaube, dass ist die Erkenntnis, wie wir erscheinen und wie wir sind, sind alles Facetten und Rollen. Es ist das Tolle an Charakteren und Persönlichkeiten, dass sie so komplex sind und widersprüchlich und in alle Richtungen ausschlagen.

Sie stehen laufend auf der Bühne und sind beim Dreh, sind Sie ein Arbeitstier?

EIDINGER Der Beruf des Schauspielers ist so exponiert, dass man darüber fast vergisst, wie viel man selbst arbeitet. Wenn ich morgens aus der Tür gehe, sehe ich den Herrn an der Dönerbude, wie der die Zellophan-Folie vom Fleischspieß abmacht und wenn ich abends zurückkomme, sehe ich, wie er die letzten Stücke herunterschneidet. Er hat ja auch so lange gearbeitet wie ich und länger. Am Filmset ist es zum Beispiel so, die Schauspieler:innen kommen als Letztes und gehen als Erste. Und trotzdem wird es so wahrgenommen, als ob sie es sind, die wirklich viel arbeiten. Es ist ein wahnsinnig abwechslungsreicher Beruf. Es gibt viel stupidere Berufe, die viel mehr Anstrengung erfordern. Wir arbeiten zum Beispiel an der Schaubühne noch mit Souffleuren. Die sitzen drei Stunden im Dunkeln und müssen das Stück mitlesen und im entscheidenden Moment den Text reingeben, das ist wirklich anstrengend. Ich habe das Glück, dass ich das machen kann, was mir Spaß macht.

Apropos Spaß. Sie haben einmal erwähnt, dass Sie „nur“ noch das machen, was Ihnen Spaß macht – stimmt das so?

EIDINGER Das ist eine gute Überschrift, oder? „Ich mach nur noch, was mir Spaß macht.“ Es ist immer schwer, aus meiner Situation heraus so etwas überhaupt zu beschreiben, ohne sich angreifbar zu machen. Aufgrund der Tatsache, dass ich ein alter, weißer, privilegierter Cis-Mann bin. Es ist leicht, wenn sich so jemand wie ich hinstellt und sagt: „Ich mach jetzt nur noch, was mir Spaß macht.“ Mir ist schon klar, dass ich privilegiert bin. Ich bin auch fleißig gewesen, habe auch Glück gehabt in meinem Leben. Und deswegen habe ich das große Privileg, mir danach Sachen auszusuchen, ob ich Lust darauf habe oder nicht. Das kann natürlich nicht jeder von sich behaupten. Bei mir ist es so, war aber auch schon immer so.

Ich habe mit zehn Jahren Kinderfernsehen gemacht und habe pro Drehtag 150 D-Mark bekommen. Ich habe kein Geld von meinen Eltern bekommen, mein Vater hat gesagt: „Du kannst ausziehen, wenn du es dir leisten kannst.“ Dann habe ich eine Rolle am Renaissance-Theater in Berlin bekommen, verdiente 200 D-Mark pro Abend und konnte mir so eine eigene Wohnung leisten. Dafür, dass es ein Beruf war, von dem mir immer gesagt wurde, es ist eine brotlose Kunst und damit kann man kein Geld verdienen, habe ich es bis zu einer Eigentumswohnung geschafft.

"Der Beruf des Schauspielers ist so exponiert, dass man darüber fast vergisst, wie viel man selbst arbeitet.<span class="copyright">APA/BARBARA GINDL</span>"
"Der Beruf des Schauspielers ist so exponiert, dass man darüber fast vergisst, wie viel man selbst arbeitet.APA/BARBARA GINDL"

Warum haben Sie das „Jedermann“-Engagement in Salzburg nicht verlängert?

EIDINGER Den „Jedermann“ wollte ich ursprünglich nur ein Jahr spielen. Und dann kam Corona und ich habe mir gedacht, ich spiele nur für 50 Prozent der Zuschauer und dann habe ich Bettina Hering (Leitung der Salzburger Festspiele) zu Weihnachten geschrieben, ob ich es nicht doch für zwei Jahre machen könnte, weil ich befürchtet habe, dass es gar kein wirkliches Festspiel-Jahr wird. Der Hauptgrund aber war, dass ich in den 16 Jahren, die meine Tochter jetzt lebt, keine sechs Wochen am Stück freihatte und mit ihr in Urlaub fahren konnte, sondern im Sommer immer Filme gedreht habe oder Text lernen musste am Strand. Es war mir einfach wichtig, dass ich das einmal mache. Und das ist dieses Jahr der Fall. Ich habe keinen einzigen Termin vom 13. Juli bis 25. August, und da fahr ich mit meiner Frau und meiner Tochter in den Urlaub.

Sie haben dann auch in Amerika gespielt und gemeint, ich möchte mir da die Türen etwas offenlassen. Heißt das, sie strecken die Fühler etwas aus.
Wäre Hollywood ein Thema?

EIDINGER Im Anschluss an die Dreharbeiten von „White Noise“ in Amerika mit Adam Driver habe ich die Serie „All The Light We Cannot See“ mit Shawn Levy gemacht, die dieses Jahr auf Netflix läuft. Und das hat sich eigentlich nur aus „White Noise“ ergeben, weil Adam Driver mich dem Regisseur empfohlen hat. Ein großer Unterschied von Amerika zu Europa ist, wenn ich einen amerikanischen Film mache, dann muss ich mich für die Zeit, die ich den Film mache, exklusiv dazu verpflichten. Das nennt man „Run of show deal“. Das ist bei mir nicht so einfach, weil ich auch im Ensemble der Schaubühne bin. Das heißt, ich habe immer auch Theatervorstellungen. Es gab zum Beispiel eine Anfrage von einem amerikanischen Regisseur, der von April bis Ende Juli mit mir drehen wollte. Ich war interessiert, habe aber auch Theatervorstellungen dazwischen. Dann hieß es, also ist der Schauspieler nicht verfügbar … Aber jetzt mal ganz blöd: „Welche:r Schauspieler:in der Welt würde sagen, Hollywood interessiert mich nicht?“