Die Festspiele treiben es zu Ostern bunt

Kultur / 05.04.2023 • 17:39 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Ohne Körpereinsatz geht bei Herbert Fritsch sowieso nichts.
Ohne Körpereinsatz geht bei Herbert Fritsch sowieso nichts.

„Die gefesselte Phantasie“ von Ferdinand Raimund kommt vom Burgtheater, in dem die Premiere Anklang fand.

Wien, Bregenz Dass es in gewisser Weise mit einem Risiko verbunden ist, Herbert Fritsch als Regisseur zu engagieren, davon war im Wiener Burgtheater nun nichts zu merken. Das Publikum bejubelte die Neuinszenierung des Zauberspiels „Die gefesselte Phantasie“ von Ferdinand Raimund sicher nicht nur, weil es mehrere Wochen auf die Premiere warten musste. Wegen Erkrankungen im Ensemble wurde der angesetzte Termin verschoben. Nun war es so weit. Den Bregenzer Festspielen soll es recht sein, sie hinken nun nicht arg nach, denn schon am Osterwochenende kommt mit Raimund und Fritsch viel Buntes und viel Bewegung ins Haus.

Die Fantasie entfesseln

Ein Risiko? Das gilt insofern, als Fritsch auch Erwartungen erfüllte, die jene hegten, die seine Arbeiten schon seit vielen Jahren beobachten. Damit sind die ersten Inszenierungen des früheren Schauspielers (der unter anderem mit Frank Castorf Erfolge feierte) an der Volksbühne in Berlin und im Theater Oberhausen gemeint. Wien hat sich erst für seine Ästhetik interessiert, nachdem er in Deutschland bereits Starstatus hatte und etwa den Akteuren am Zürcher Schauspielhaus bei Dürrenmatts „Die Physiker“ akrobatische Leistungen entlockte. Nun mit „Die gefesselte Phantasie“ jenes Stück von Ferdinand Raimund zu wählen, das seit der Uraufführung 1828 als eines der schwächeren gilt, war freilich attraktiv, denn wenn einer die Fantasie entfesseln kann, dann sicher Fritsch. Aber kann er noch überraschen? Produktionen in Berlin, Zürich, Oberhausen und München in Erinnerung und bei genauem Hinschauen heißt die Antwort: Ja.

Theatersport

Dieses Mal braucht es auch kein aufwendiges Bühnenbild (Fritsch entwarf selbst ein paar farbige Prospekte) und keine Kraxeleien. Zwei Auftritte über den Schnürboden unterbrechen die Bodenhaftung des Ensembles, das nahe an die Rampe rückt und mit allen Regeln der Kunst improvisiert – oder dies zumindest im Probenverlauf getan hat. Sie lesen richtig. Was Herbert Fritsch da entfacht, nein, entfachen lässt, ähnelt dem guten alten Theatersport, mit dem Impro-Ensembles Häuser füllen. Ein Begriff steht im Raum – und schon wird losgelegt.

Die Erfahrung bzw. ein Match zwischen Profis und Amateuren hat oft gezeigt, dass sich Erstere in Sachen Spontanität oft hintanzustellen hatten. Ein Steilpass für das Burgtheaterensemble, das die Herausforderung annimmt und nicht davon ausgeht, dass nach intellektuellen Aspekten in Raimunds Zauberspiel zu suchen ist, sondern dass sie sich schon zeigen, wenn man nur dasteht mit dem Text und der eigenen Vorstellungskraft vertraut.

Maria Happel geht als Hermione, Königin der Insel Flora, davon aus, dass sie nur beschwipst bekannt geben konnte, denjenigen zu ehelichen, der ihr das schönste Gedicht vorträgt. Gebongt! Die Zauberschwestern Arrogantia (Elisa Plüss) und Vipria (Sarah Viktoria Frick) vereiteln die Idee per Fesselung der Fantasie, weil sie mit dem Mannsvolk vielleicht noch eine Rechnung offen haben. Wieder gut getroffen! Meist in Cordsamtanzügen, bebrillt und mit bunten Perücken (so die treffliche Ausstattung von Geraldine Arnold) stehen sie da und haben abzuliefern. Und zwar nicht Komödie oder den bei Fritsch oft zitierten Klamauk und überdrehtes Gehabe, sondern das, was an Subversivem in ihnen steckt. Fritsch kennt da kein Erbarmen und dass da selbst ein Markus Scheumann ins Straucheln kommen kann, baut dieser als Narr flugs ein. Die Ressourcen von Gunther Eckes (Hofpoet) sind hingegen unerschöpflich und Tim Werths (Poetische Phantasie) kontert mit breitem Gestenvokabular. Schön, dass Sebastian Wendelin (Nachtigall) nicht zum Gegenpol der höfischen Gesellschaft verkommt. Mit Amphio (in passender Zurückhaltung gespielt von Bless Amada) bekommt Hermione dann ohnehin den Richtigen.

Fallende Perücken

Reicht das? Von ein paar Längen abgesehen, die Textbearbeiterin Sabrina Zwach egal sind, gilt der Satz, wo Fritsch draufsteht auch Fritsch drin ist, gottlob nicht mehr ganz. Wer nur auf die ganz große Überraschung gespannt ist, versäumt vielleicht manch subtilen Wink, der sich mit den fallenden Perücken noch lange nicht erschöpft. CD

Auf die subtilen Gesten ist zu achten: Tim Werths in „Die gefesselte Phantasie“.
Auf die subtilen Gesten ist zu achten: Tim Werths in „Die gefesselte Phantasie“.
Maria Happel mit dem Ensemble in „Die gefesselte Phantasie“. BURGTHEATER/MATTHIAS HORN
Maria Happel mit dem Ensemble in „Die gefesselte Phantasie“. BURGTHEATER/MATTHIAS HORN

Zahlreiche Aufführungen am Wiener Burgtheater, Aufführungen im Rahmen der Bregenzer Festspiele am 8. und 9. April.

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