Auf den Hass folgt die Hoffnung

Kultur / 23.04.2023 • 16:45 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Präsentation des Buchs zum letztjährigen Philosophicum Lech "Der Hass. Anatomie eines elementaren Gefühls" im Wiener mumok.  <span class="copyright"> Julia Ramprecht/Zsolnay Verlag (9)</span>
Präsentation des Buchs zum letztjährigen Philosophicum Lech "Der Hass. Anatomie eines elementaren Gefühls" im Wiener mumok. Julia Ramprecht/Zsolnay Verlag (9)

Sammelband zum letztjährigen Philosophicum Lech “Der Hass. Anatomie eines elementaren Gefühls”.

Wien Vergangene Woche wurde im Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (mumok) der Sammelband zum letztjährigen Symposium “Der Hass. Anatomie eines elementaren Gefühls” des Philosophicum Lech präsentiert. Es war die 25. Veranstaltung der transdisziplinären Reihe, die sich unter dem Motto “Denken auf höchstem Niveau – 1500 Meter über dem Meer” seit “Die Faszination des Bösen” (1997) jedes Jahr einem anderen aktuellen Thema widmet. Zum Jubiläum versammelt der von Liessmann herausgegebene Band “Der Geist im Gebirge” Beiträge aus einem Vierteljahrhundert vielfältiger Standortbestimmungen.

Der Vorarlberger Schriftsteller und Mitinitiator Michael Köhlmeier.
Der Vorarlberger Schriftsteller und Mitinitiator Michael Köhlmeier.

Hass ist allgegenwärtig. „Hate Speech“ ist zu einem beunruhigenden Phänomen geworden. In der Ablehnung von Hass und Hetze sind sich alle einig. Selten aber wird gefragt, was Hass eigentlich ist, was das Aggressive, Verletzende und Verstörende, aber auch das Befriedigende, vielleicht sogar Lustvolle am Hass sein kann.

Wie verhält sich Hass zu Neid und Eifersucht, zu Angst und Demütigung?
Wie verhält sich Hass zu Neid und Eifersucht, zu Angst und Demütigung?

Wer hasst eigentlich wen, wer oder was kann zum Hassobjekt werden? Gibt es plausible Gründe? Wo liegen die Grenzen zwischen Kritik, Abneigung, Antipathie, Missbilligung und Hass? Wie verhält sich Hass zu Neid und Eifersucht, zu Angst und Demütigung? Und allzu oft gerät die alte Erkenntnis in Vergessenheit, dass Hass die Kehrseite der Liebe ist.

Auch der ehemalige Lecher Bürgermeister Ludwig Muxel ließ sich die Präsentation in Wien nicht entgehen.
Auch der ehemalige Lecher Bürgermeister Ludwig Muxel ließ sich die Präsentation in Wien nicht entgehen.

2023 wird das Philosophicum Lech dem Thema „Hoffnung“ gewidmet sein. Bei der Buchpräsentation suchten Michael Köhlmeier und Konrad Paul Liessmann nach einem geeigneten Übergang vom Hass zur Hoffnung und fanden ihn in „Antigone“. Die griechische Tragödie, die Sophokles um 441 v. Chr. schrieb, ist eines der herausragendsten Werke der antiken Literatur. Im Mittelpunkt steht die Titelfigur Antigone, die Tochter des mythischen Königs Ödipus, und ihr Streit mit ihrem Onkel Kreon, dem Herrscher von Theben, um die Bestattung ihres Bruders Polyneikes.

Bücher des Mitiniators Michael Köhlmeier
Bücher des Mitiniators Michael Köhlmeier

Polyneikes und sein Bruder Eteokles sterben im Kampf um die Herrschaft über Theben. Kreon erklärt Eteokles zum rechtmäßigen König und ordnet ein ehrenvolles Begräbnis an, während er Polyneikes als Verräter brandmarkt und unbestattet lässt. Antigone ist entschlossen, ihrem Bruder die letzte Ehre zu erweisen und widersetzt sich Kreons Befehl.

In diesem Herbst wird das Philosophicum Lech dem Thema „Hoffnung“ gewidmet sein.
In diesem Herbst wird das Philosophicum Lech dem Thema „Hoffnung“ gewidmet sein.

Die Geschichte der Antigone wirft eine Reihe moralischer und ethischer Fragen auf, wie das Verhältnis zwischen individueller Loyalität gegenüber der Familie und der Pflicht gegenüber dem Staat sowie das Spannungsfeld zwischen göttlichen und menschlichen Gesetzen. Antigones Entscheidung, sich dem Befehl des Herrschers zu widersetzen, zeigt ihre unerschütterliche Treue zur Familie und ihre Überzeugung, dass göttliche Gebote über menschlichen Gesetzen stehen.
Der zeitlose Charakter von Antigones Geschichte hat dazu geführt, dass sie im Laufe der Jahrhunderte immer wieder aufgegriffen und neu interpretiert wurde. Die Themen persönliche Integrität, Mut und die Macht des Gewissens machen “Antigone” zu einem unvergänglichen Werk der Weltliteratur.

"Der Hass. Anatomie eines elementaren Gefühls" war die 25. Veranstaltung der transdisziplinären Reihe.
"Der Hass. Anatomie eines elementaren Gefühls" war die 25. Veranstaltung der transdisziplinären Reihe.

Doch wo liegt die Hoffnung in einem Stück, an dessen Ende fast alle außer Kreon tot sind? Der Mitiniator des Philosophicums Lech, Konrad Paul Liessmann, findet sie in der Läuterung Kreons: „Kreon bereut. Er erkennt, dass er hätte anders handeln können. Dass es unmenschlich ist, zu konsequent an einer Rechtsidee festzuhalten. Er versteht: Man muss auch einmal eine Ausnahme machen.“

Konrad Paul Liessmann, Gründer des Philosophicums Lech.
Konrad Paul Liessmann, Gründer des Philosophicums Lech.

Liessmann verglich dies mit einem aktuellen Fall: der Abschiebung einer bestens integrierten indischen Familie aus Haslach. Auch wenn die Rechtslage gegen ein Bleiben spreche, müsse es Raum für menschliche Gesten geben. Der Philosoph schloss mit der Hoffnung auf die Kunst des Kompromisses und verwies auf das nächste Philosophicum, das vom 19. bis 24. September unter dem schönen Titel “Alles wird gut” stattfindet.

Das nächste Philosophicum findet vom 19. bis 24. September 2023 statt.
Das nächste Philosophicum findet vom 19. bis 24. September 2023 statt.

Buch übers Philosophicum 2022: „Der Hass. Anatomie eines elementaren Gefühls“. (Verlag Zsolna)