Kurt Kalb, Hommage an eine große Persönlichkeit

Kultur / 11.05.2023 • 20:01 Uhr

Vor einigen Monaten starb eine Persönlichkeit, die die Wiener Kunstwelt prägte wie kaum eine andere: Kurt Kalb, Wiens Galeristenlegende und Lokalgründer.

In Erinnerung ist mir die erste Begegnung mit ihm, als ich vor vielen Jahren mit Freunden seine Galerie besuchte und jeder von uns mit einem Werk Oswald Oberhubers beschenkt als mobile Ausstellung im Schlepptau von Kalb durchs frühmorgendliche Wien von Bar zu Bar wandelte.

1935 als Sohn des Vorarlberger Installateurmeisters Erwin Kalb geboren, war Kurt Kalb eine der schillerndsten Persönlichkeiten der jüngeren österreichischen Kunstgeschichte, der als Kunsthändler und Galerist die Wiener Kunstszene, insbesondere die Aktionisten, und später auch Künstler wie Beuys und Kippenberger förderte und prägte, „kenner der literatur, entlegner wie volkstümlicher sammler, nomadisches enfant terrible unterschiedlicher gesellschaftsklassen“ – so Peter Weibel und Valie Export über Kurt Kalb 1970 in ihrem Schwarzbuch zum Wiener Aktionismus. Ob in Wiens Lokalszene vom „Café Sport“ über das wenig gut beleumundete „Gutruf“ bis zum Restaurant „Beograd“, von Attersees Film „Gruß Attersee“ bis zur Vorbereitung des Reise – und Filmprojektes „Uganda tomorrow“, Kurt Kalb war dabei.

Kalb machte sich 1955 selbstständig. 1972 eröffnete er in Wien die Galerie Grünangergasse, aus der später die Galerie Kalb in der Bäckerstraße wurde. Kalb vertrat nicht nur die Wiener Avantgarde, er war ihr Förderer und Inspirator. Künstler wie Bruno Gironcoli, Walter Pichler, Arnulf Rainer, Attersee, Günter Brus spielten eine aktive Rolle in seinem Kunstuniversum. „Mein Interesse für die Avantgarde hat mir geschäftlich oft geschadet, aber ich bin lieber mit der jungen Elite zusammen als mit den Pfeffersäcken“, umschrieb der Kunsthändler einst seine Haltung.

1974 gründete Kalb gemeinsam mit Evelyn Oswald das mittlerweile legendäre Künstlerlokal „Oswald & Kalb“. Er inspirierte auch die Gründung von Szenelokalen vom „Salzgries“ bis zum „Engländer“. (In seinen Lokalen galt Lokalverbot für Boulevardjournalisten wie Michael Jeannee oder rechte Populisten wie Jörg Haider). Armin Thurnherr, Herausgeber des Falter schreibt über ihn: „Seine Lokale waren so etwas wie soziale Skulpturen“ , eine wundersame Mischung aus unterschiedlichsten Schichten.

Kalb war ein herrlicher Erzähler, enthusiastisch, menschlich, ironisch und manchmal zynisch, aber immer brillant. Kalb behauptete, an „seinem“ persönlichen österreichischen Lexikon zu arbeiten, das ihm persönlich wertvolle Menschen und nicht nur Berühmtheiten, die ihn wenig interessierten, enthalten sollte. Seit geraumer Zeit hatte sich Kurt Kalb ins ländliche Oed zurückgezogen. Bei seinen raren Besuchen Wiens erwies er sich nach wie vor als grandioser Geschichtenerzähler, der bei aller Fabulierlust ein Mann voller Geheimnisse geblieben ist. Vor einem halben Jahr starb Kurt Kalb, möge er sein Lexikon im Olymp der Kunst vollenden und dieser Text ein Beitrag gegen das Vergessen einer großen Persönlichkeit sein.

„Bei seinen raren Besuchen Wiens erwies er sich nach wie vor als grandioser Geschichtenerzähler.“

Gerald Matt

gerald.matt@vn.at

Dr. Gerald Matt ist Kulturmanager und unterrichtet an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.